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Zur aktuellen Situation des Schwarzstorchs im Fichtelgebirge (Oberfranken)

Brutmännchen "Torres" bewacht seinen Nachwuchs an einem traditionellen Brutplatz im Zentrum des Fichtelgebirges. Der Bursche wurde...

Monday, November 06, 2017

'Natal & breeding dispersal' beringter Schwarzstorch-Nestlinge in Deutschland 2005-2017


Beim Schwarzstorch kann die Fertilität bereits im 3. Kalenderjahr einsetzen, wie es beispielhaft beringte Nestlinge in Europa eindrucksvoll belegen konnten. 
Allerdings ist u.a. noch näher zu untersuchen, wie hoch bei diesen sehr jungen und unerfahrenen Brutstörchen die Erfolgsquote überhaupt liegen wird.
Solche und weitere offene Fragen sind primär nur durch umsichtige Revier- und Nestkontrollen der Betreuer zu beantworten. 
Jedoch auch nur dann, wenn:
  • die bekannten Nester jährlich auf Ringstörche umsichtig und in der Regel zeitintensiv kontrolliert werden;
  • die ersten Kontrollen bereits im Frühjahr noch vor der Eiablage erfolgen, um u.a. auch das Geschlecht bei einem beringten Vogel sicher festzustellen - denn bei den bisher gemeldeten Ringstörchen wurde bislang nur für 12 Ind. das exakte Geschlecht angegeben (24 %);
  • nachfolgende Kontrollen zur Fütterungszeit realisiert werden - auch hier ist mit Geduld und Umsicht zu agieren - in der Regel sind 4-5 Stunden Ansitz einzuplanen - hier können zudem weitere Überraschungen eintreten - so kann z.B. durchaus ein Partnerwechsel auch nach der ersten Besetzungskontrolle noch stattfinden (sah der Betreuer z.B. im Frühjahr das Paar noch vor der Eiablage unberingt auf dem Nest stehen, so kann durch einen Partnerabgang/-wechsel plötzlich ein beringter Altstorch füttern, dito umgekehrt) !
Eine kontinuierliche Beringung von Jungstörchen macht perspektivisch in Deutschland nur dann weiterhin Sinn, wenn wir konkrete Aussagen zur Ansiedlungsstrategie des 'natal & breeding dispersal' der hiesigen Population treffen können. 

Davon stehen wir aber weiterhin meilenweit entfernt.... Dies ist vor allem - mal abgesehen von wenigen Ausnahmen - dem Fehlen systematischer Nest-Kontrollen innerhalb zusammenhängender Schwarzstorch-Schwerpunktbereiche in Deutschland geschuldet.

Zum Zug- und Überwinterungsverhalten junger Schwarzstörche hingegen verfügen wir inzwischen über einen sehr beachtlichen Daten-Fundus. 
7.-8.000 Kennring-Markierungen von Nestlingen und sicher weit über 100 besenderte Jungstörche liefern seit Jahren dafür die wertvollen Informationen.
Wir wissen also mittlerweile sehr viel über den getrennten Weg- und Heimzug (differenzierte Zugrouten von Geschwistern, Schleifenzug usw.), über die Zusammensetzungen der Zug- und Rastgemeinschaften, über die essentiellen Rastplätze, über die Gefahren an den Zug- und Überwinterungspassagen mit konkreten Hinweisen zur Todesursache (hier fehlen weiterhin präventive und praxisnahe Schutzmaßnahmen), über traditionelle Überwinterungsplätze u.v.m.

Was nützt aber z. B. dem Melder einer Ringablesung vom Schwarzstorch vorab ein nett gestalteter Lebenslauf mit ("beeindruckenden") Angaben eines Zwischenstopps in Spanien, Frankreich bzw. Bulgarien oder Israel, oder später im Winterhalbjahr in Afrika - wenn nachfolgend abermals unbeantwortet bleiben muss, wo der in Deutschland geborene und beringte Schwarzstorch überhaupt brütet..... ?
Mal abgesehen davon: von vier Jungstörchen einer Brut überleben bei den gegenwärtig lauernden Gefahrenquellen (an denen, wie bereits oben erwähnt, keine einschneidenden Eliminierungen zu erkennen sind) in der Regel nur ein bis max. zwei Burschen die ersten beiden Lebensjahre. Zur Brut schreitet dann sicher nur noch EINER ! 
Ergänzende Hinweise dazu liefern ausbleibende Folge-Ablesungen von Schwarzstörchen  im 2./ 3. Kalenderjahr. 
Der (kurze) Lebenslauf erhält abschließend oft keine weiteren Wiederfund-Daten mehr und wird abgeheftet.

Ziel und Zweck von Großvogel-Beringungen sollten stets selbstkritisch hinterfragt werden und regelmäßig auf dem Prüfstand stehen. Sie dürfen nicht zur Sammelleidenschaft mutieren und nach einer anfänglichen Euphoriewelle orientierungslos verpuffen...

Wie es in der Tat funktionieren und positive Impulse setzen kann, zeigen erste wichtige Ergebnisse zur Populationsdynamik beim Schreiadler (Clanga pomarina) in Mecklenburg-Vorpommern. Hier wird durch ein systematisches Ableuchten der Brutplatz-Adler unter Zuhilfenahme seit 2007 verwendeter Kennringe das Fundament für zunehmend belastbare Auswertungen zur Thematik  'Dispersal' gelegt. 

Von 1321 (ø102/ Jahr) in Deutschland beringten Schwarzstorch-Nestlingen liefern gegenwärtig bescheidene 48 Schwarzstörche (3,63 %) konkrete Hinweise zum 'natal dispersal' (Ansiedlung vom Geburts- zur ersten Brutstätte) und gar nur zwei beringte Brutstörche (0,15 %) geben momentan Auskunft zum 'breeding dispersal' (Wechsel zwischen den Brutplätzen).

Nicht nur die oben aufgeführten 50 Schwarzstörche sollten uns aber dabei effizienter unterstützen.
Vielmehr brüten nach einer sehr vorsichtigen und zugleich realistischen Schätzung weitere 100-120 Ringstörche immer noch verborgen in Deutschlands Wäldern (was sie ja auch gerne dürfen....).
Bis dato unentdeckte Brutplätze, aber vor allem das Fehlen systematischer (zeitintensiver) Ringstorch-Nestkontrollen bleiben also dafür maßgebend....!

Beim Schwarzstorch sollte man sich daher zukünftig gezielt auf geeignete Bereiche (Monitoringflächen, Naturräume) konzentrieren und dort neben einer initiierten Jungstorch-Beringung vor allem eine systematische Brutplatz-Erfassung plus Ringstorch-Nestkontrolle über eine ≥ 15 jährige Laufzeit einleiten und vor allem absichern.