Zur aktuellen Situation des Schwarzstorchs im Fichtelgebirge 2023 & 2024
Die Ausgangslage
Hinweise und Methodik
Die gegliederten Analysen konzentrieren sich auf den zentralen Bereich des durchweg forstlich bewirtschafteten Fichtelgebirges, einem geschlossenen Waldareal des FB Fichtelbergs mit den repräsentativen Charakteren eines Mittelgebirges. Mannigfaltig eingelagerte Quellmoorbereiche kennzeichnen u.a. das Untersuchungsgebiet (UG). Sie sind besonders auf das feuchte Mittelgebirgsklima mit einer jährlich registrierten Niederschlagsmenge von bis zu 1.300 mm angewiesen. Sensibel reagierende Quellzonen bilden zugleich die vornehmliche Lebensader für eine Vielzahl von im Fichtelgebirge entspringenden Bachläufen. Die artspezifisch auf die Hochmoore und Bäche ausgerichtete Flora und Fauna findet auf den Höhenlagen diese essentiellen Lebensräume mit den passenden Synergien.
Das im UG aufgrund einer mittleren Jahrestemperatur von nur 5-6°C eher als rau einzustufende Gebirgsklima stellt vor allem bei den für die im zeitigen Frühjahr avisierten Erfassungen des thermikabhängigen Schwarzstorchs eine wiederholte Herausforderung dar (essentiell für die akkuraten Revier-Zuweisungen).
Zunächst wurde eine erste Teilfläche des UG im östlichen Teil des FB Fichtelbergs ausgewählt.
Für eingeteilte Beobachtungssektoren werden gebietsspezifisch darauf ausgerichtete Beobachtungspunkte festgelegt. Jene Checkpoints (CP) werden so gewählt, dass die bekannten und potentiellen Bruthabitate entsprechend den geomorphologischen Voraussetzungen vor Ort stets im Blick und verwertbare Revierflüge inkl. ein Revierzentrum für den Schwarzstorch präziser einzugrenzen sind.
Als optische Hilfsmittel kommen die Handgläser von Swarovski EL 8x32 bzw. EL 12x50 in Kombination mit einem Spektiv von Swarovski (30-40-faches Weitwinkelokular) zum Einsatz. Im Bedarfsfall wurden Belegaufnahmen mittels geeigneter Fotoausrüstung angefertigt (600-840 mm Festbrennweite).
Dementsprechend werden für die festgelegten Ansitzsektoren zunächst sehr raumgreifende und nach Möglichkeit exponierte Beobachtungspunkte gewählt. Abb. 2 und 6 verdeutlichen den weiträumigen Blick auf einen Sektor des UG. Diese mit einem Panorama von ≥ 180° ausgestatteten CP (Version A) befinden sich aber nicht selten 3-4 km vom geschlossenen Waldareal entfernt. Lassen sich von dieser Position aus die ersten Verdachtsmomente für ein belegtes Schwarzstorch-Revier feststellen, wird als Folgeschritt ein zum potentiellen Brutstandort näher anliegender Beobachtungsstandort in der Waldkulisse gesucht (Version B, siehe Abb. 3 und 4). haushaltsmäßig
Nur mittels einer derartig herantastenden Vorgehensweise können in extrem knifflig zu analysierenden Mittelgebirgslagen, wie dem Fichtelgebirge, Schwarzstorchbrutplätze erkundet werden.
Treten sogenannte Störungsjahre auf, wie augenblicklich in 2023 belegt, dann schrumpfen die Erfolgsaussichten für eine erfolgreiche und zugleich flächendenkende Erfassung gleichwohl um ein Vielfaches (siehe weiter unten). Reihen sich ferner ungelegene Schlechtwetterperioden während des engmaschigen, phänologisch abhängigen Ansitz-Zeitfensters mit fehlenden Ausweichalternativen ein, so werden die Chancen für eine umfassende Prüfung zusätzlich boykottiert.
Abb. 3: Ermittelter Beobachtungspunkt der „Version B“ inmitten des vermeintlichen Brutwaldes im UG 2023. Nur mithilfe solcher Freiflächen (in der Regel sogenannte „Käferlöcher“ nach einer Kalamität) lassen sich die infrage kommenden Seitentäler mit einbeziehen. Durch das eingeschränkte Gesichtsfeld sind es immer wieder nur wenige Sekunden, die dem Beobachter zur Verfügung stehen, um den ein- oder abfliegenden Brutstorch genauer zu lokalisieren bzw. zu verfolgen. Des Weiteren sind erfolgreiche Lokalisierungsflüge (engere Eingrenzung des Standortes in der Waldabteilung für eine erwägbare Brut) merklich von den Wetterkonditionen abhängig. Stabile Hochdruckwetterlagen fördern die Ergebnisse jener Ansitzverfahren im UG.
Abb. 4: Frischer Kahlhieb in Hanglage (CP der Version B - CP „Hirschgarten“ mit Blick zum Rotenfels). Derartige Freiflächen-Hinweise, wie hier vom zuständigen Revierleiter vor Ort freundlicherweise erhalten, sind für die laufenden Analysen von elementarer Bedeutung.
Abb. 5: Strategie-Beispiel bei des Auswahl von Beobachtungspunkten für die aufmerksame Sondierung eines Sektors, nachfolgend mit einem Revierverdacht im UG 2023.
- Brutpaare mit einem festen Brutplatz, in der Regel ohne Störungen und wiederholt erfolgreichen Bruten, ansonsten ist auch die Nutzung eines Wechselnestes möglich: Solchen Paaren sind die Nahrungsplätze des UG bereits aus den Vorjahren bestens bekannt;
- Brutpaare mit einer abgebrochenen bzw. gestörten Brut: Sie vagabundieren nachfolgend umher, bauen ggf. noch im Sommer (Juli/ August) ein neues Nest, was sie im Folgejahr dann nicht selten beziehen können. Sie sind regelmäßiger Nahrungsgast an geeigneten Nahrungshabitaten im UG;
- Revierpaare mit einem festen Revier, diese Paare finden sich erst im Verlauf der Brutzeit, schreiten nicht mehr zur Brut: Sie führen Revierflüge durch, oft gemeinsam, sondieren zusätzlich das Umfeld auf taugliche Nahrungsgründe und besuchen besetzte Nachbarreviere im UG;
- revierhaltende Einzelstörche/ Nichtbrüter: Diese besetzen nicht selten erst Ende April/ Anfang Mai das UG und stören mitunter das Brutgeschäft benachbarter Brutpaare, nutzen regelmäßig dieselben Nahrungsareale und wandern nicht selten schon Anfang Juli aus dem UG ab.
- ob es sich um einen brutreifen Altstorch handelt - in der Regel brüten Schwarzstörche ab dem 4. Kalenderjahr, können aber auch schon im 3. Kalenderjahr erfolgreich reproduzieren, daher ist die sichere Ansprache des Alters zwischen dem 2. und 3. Kalenderjahr inkl. der Mauserzyklus zu beherrschen;
- ob z.B. beide Störche wirklich ein Paar im Luftraum bilden. Nicht selten kommt ein fremder Storch zum Revierpaar und fliegt mit einem dieser Revierinhaber z.T. auch länger im vermeintlichen Synchronflug, täuscht also ein Paar an falscher Stelle vor;
- welcher Altstorch bei gleichzeitig z.B. drei kreisenden Störchen im Luftraum der Fremdstorch ist;
- ob der Altstorch zur Brutablösung fliegt/ oder kommt;
- ob der Altstorch einen gezielten Fütterungsanflug durchführt/ oder von der Fütterung kommt und wieder auf Nahrungssuche geht;
- ob ein beobachteter Altstorch als Nichtbrüter einzustufen ist, usw.
Abb. 6: Blick vom CP „Klausenturm“ (Version A) auf Mehlmeisel – dem Zentrum des UG im FB Fichtelberg – 22. September 2022.
Erste Ergebnisse
- die charakteristischen Revierflüge (Thermik-Synchronflüge über den Brutplätzen, inbegriffen u.a. Weihenflüge, Flaggen und Flugbalzrufreihen);
- die typischen Nestanflüge des Paares nach einer vorausgehend oft längeren Flugbalzphase bei optimalen Thermikbedingungen („Fallschirm-Einflüge“ am Brutplatz);
- die repräsentativen Fütterungsanflüge (vor allem ab Ende Mai bei erfolgreichen Bruten);
- die klassischen An- und Einflüge, auch mit Nistmaterial (sie stützen den Brutstatus im Revier);
- die bezeichnenden Flugschulen im Juli/ August (die Brutstörche erschließen gemeinsam mit ihren flüggen Jungstörchen den Luftraum und die Nahrungsgründe des Brutreviers);
- n.b. Revier/ Nest ist nicht besetzt, auch kein Einzelstorch im Revier/ am Nest beobachtet (Kontrollumfang zur Status-Bestätigung eines Reviers mindestens 4 Tage á 6 Ansitz-/ Begehungsstunden);
- o.K. ohne Kenntnisse, Revier/ Nest nicht hinreichend kontrolliert, Status in dem Jahr unbekannt;
- E Einzelstorch sucht das Revier/ Nest während der Brutzeit auf - es ist jedoch nicht immer sicher abzuleiten, ob es sich dabei um den ansässigen Reviervogel handelt (Fotobelege mit entsprechenden Auswertungen können wichtige Hinweise liefern);
- Pa Paar anwesend, jedoch kein konkreter Bruthinweis, bzw. Brutverlauf bleibt ungeklärt, die bekannten Nester sind nicht in Benutzung, ein neues (bis dato unbekanntes) Brutnest kann jedoch nicht immer ausgeschlossen werden (Kontrollumfang zur Status-Bestätigung siehe „n.b.“);
- Po Paar ohne Brut, Paar definitiv anwesend, schreitet jedoch im weiteren Verlauf nachweislich nicht zur Brut, Paar ist nicht permanent am Nest;
- BPo Brut ohne Erfolg, besetztes Nest, Paar schreitet zur Brut, Brutverlauf verläuft jedoch nachfolgend negativ: a) zunächst begonnene Brut inzwischen abgebrochen; b) geschlüpfte Jungstörche sind verschwunden; c) als Ästling verschollen; d) bereits flügge Jungstörche nachfolgend verschwunden, verantwortlich für BPo sind in der Regel anthropogene Störungen, klimatische Einflüsse, ein plötzlicher Partnerverlust oder die Prädation der Jungstörche (primär verursacht durch Uhu und Habicht im Fichtelgebirge);
- BPm2 Brut erfolgreich – die Jungstörche fliegen definitiv aus, Beispiel BPm2 = 2 Jungstörche fliegen erfolgreich aus;
Empfehlungen und Defizite
Die Notwendigkeit forstlicher Nestschutzzonen (NSZ) für den Schwarzstorch
Der Grundstein für eine erfolgreiche Revierbesetzung wird beim Schwarzstorch im Frühjahr mithilfe zweier abgestuft operierender Nestschutzzonen (NSZ) gelegt. Bereits nachweisbare und beifolgend neu gefundene Brutnester sind durch festzusetzende Schutzradien einzurichten. Der Umgang mit dieser gut bedachten Festlegung von forst- und jagdlichen NSZ orientiert sich auf der Grundlage einer fachlichen Empfehlung für den Revierleiter. Jene einfließenden Auflagen sollten nichtsdestotrotz, wenn es die gebietsspezifischen Verhältnisse im Revier zulassen, grundsätzlich beachtet und umgesetzt werden.
Folgende Empfehlungen sind für gegenwärtig besetzte, für im Kartierungsverlauf neu gefundene, aber auch für unbesetzte (noch existente) Wechselnester/ Ausweichnester innerhalb der Schutzzonen differenziert zu beachten:
- ganzjährig die im Umkreis von 100 m um den Brutplatz bestehende Bestockungen zu entfernen - oder den Charakter des Bereiches auf eine andere Art zu verändern (Ausnahmen bilden Maßnahmen zur Stützung tangierender Nahrungshabitate, forstliche Kalamitäten, hier sind jeweils die Arbeiten zeitnah und achtsam mit einem Artspezialisten abzustimmen);
- forstliche und jagdliche Maßnahmen in der Zeit vom 01. März bis 31. August auszuüben (forstliche Sonderrechte beziehen sich auf eintretende Kalamitäten - bei besetzten Nestern oder unterdessen brütenden Störchen sind brutphänologische, revierspezifische und sachliche Abstimmungen zu bedienen);
- neue stationäre jagdliche Einrichtungen zu errichten, für bereits existente und mobile jagdliche Einrichtungen ist in der für die Jagdausübung freien Zeit die Benutzung zulässig;
- dito zur NSZ-A forstliche und jagdliche Maßnahmen in der Zeit vom 01. März bis 31. August auszuüben (Sonderrechte beziehen sich auf eintretende forstliche Kalamitäten - bei besetzten Nestern oder inzwischen brütenden Störchen sind brutphänologische, revierspezifische und sachliche Abstimmungen zu bedienen);
- die essentiellen Habitatstrukturen des Brutwaldes (Bestockungscharakter) sind vom 01. September bis 28. Februar im Radius ab 100 m bis einschließlich zur Grenze der NSZ-B (200 m) zu erhalten, dabei ist die selektive Entnahme von Einzelstämmen bzw. bei Bedarf eine fachlich zuvor koordinierte leichte Durchforstung stets bodenschonend vorzunehmen, Kalamitäten sind abermals separat und als Sonderfall zu beurteilen;
- eine Erneuerung bzw. die Versetzung von jagdlichen Einrichtungen resultiert gemäß vorheriger Abstimmungen;
- anthropogene Aktivitäten abseits touristischer und öffentlich zugelassener Hauptwege sind für die Zeit vom 01.03.-31.08. generell zu unterbinden; vorhandene Rückegassen mit Anlauf- und Sichtbezug zum Brutplatz sind nach jeweiliger Prüfung von den Hauptwegen aus zu verblenden (Kronenware, alte Stämme etc.);
- für etwaige Schwarzstorch-Neuansiedlungen unmittelbar anliegend zu touristisch regelmäßig frequentierenden Wegen, wobei hier eine Zunahme der Freizeitaktivitäten vor allem ab Mai nach der Eiablage zu erwarten ist, sollten ebenso entsprechende Schutzvorkehrungen für die als empfindlich eingestuften Sektoren in jeweiliger Absprache getroffen werden;
[1] Der Schutzradius von 200 m bezieht sich grundsätzlich auf Brutreviere mit repräsentativen, immergrünen Nadelholzbeständen – mit einem dementsprechend ganzjährigen Sichtschutz, insbesondere während des noch unbelaubten Zeitraums von März-Mai in den Mittelgebirgen. Ferner liegen die Einwirkungen der Lärmimmissionen für Brutplätze in geschlossenen Nadelholzbeständen im Vergleich zu den bis in den Mai hinein noch fast vollständig laubfreien Laubholzbeständen auf einem niedrigeren Level. Für Brutplätze/ Brutreviere mit bestandsbildenden Laubholzpartien (betrifft hier primär Rot-Buchen-Bestände) sollte aufgrund der geschilderten Abweichungen die NSZ-B fakultativ auf 300 m erweitert werden. In Laubholzbeständen werden anthropogene Störungen, z.B. durch unmittelbar anrainende forstliche oder jagdliche Aktivitäten, deutlich sensibler wahrgenommen. Vorzugsweise greift dieses Merkmal mit Beginn der frühjährlichen Besetzungsphase (März/ April) bis hin zur Eiablage (April/ Mai). In Norddeutschland wird in der Regel daher die 300 m Regelung für die NSZ-B umgesetzt. Beispielsweise sind in Mecklenburg-Vorpommern die Nestschutzzonen per Gesetz verankert (NSZ-A = 100 m, NSZ-B = 300 m).
Erste Hinweise zur Situation in den Nahrungshabitaten des Schwarzstorchs im UG des Fichtelgebirges
Fließgewässer
Intakte Fließgewässer-Ökosysteme verknüpft mit einer gesunden Verfügbarkeit struktur- und nahrungsreicher Kleingewässer geben den essentiellen Ausschlag für eine erfolgreiche Revierbesetzung und Reproduktion des Schwarzstorchs im Fichtelgebirge.
Schwarzstörche suchen ihre Brutstandorte im Wald und mit Vorliebe in unmittelbarer Nähe von Quellstandorten aus. An solchen Plätzen entspringen, wenn nicht inzwischen diese wichtigen Lebensadern verbaut oder entwässert wurden, regelmäßig schmale und naturnahe Waldbäche. Diese für eine artenreiche Fischfauna besonders wertvollen Quell-Rinnsale fördern letztendlich unsere Bäche und Flüsse u.a. mit sauerstoffreichen Bedingungen.
Rückschlüsse auf den gegenwärtigen Qualitätszustand der im FB Fichtelberg existierenden Fließgewässer können die abgeschlossenen Fließgewässerstrukturkartierungen im Auftrag des LfU Bayern geben (Stand: August 2019). Sie liegen für annähernd zwei Drittel der im UG geomorphologisch geformten Bachläufe vor.
Darüber hinaus existieren Bewertungen für die auf Fließgewässer generell negativ einwirkenden Querbauwerke. Diese sind standardgemäß im Rahmen der EU-WRRL näher zu evaluieren.
Die Prüfungen offenbarten bestehende hydromorphologische Defizite, insbesondere zur fehlenden biologischen Durchgängigkeit aufgrund von Bauwerken innerhalb des Fließgewässernetzes im UG einschließlich ihres engeren Einzugsbereiches.
Konform zur EU-WRRL sind festgestellte Mängel abzustellen und konkrete Verbesserungsmaßnahmen durch die zuständigen Fachbehörden des Naturschutzes und der Wasserwirtschaft für die relevanten Bachabschnitte vorzuschlagen und sachbezogen umzusetzen.
Nach einer ersten für die ursprünglich naturnahen Bachsysteme veranlassten Fließgewässer-Analyse lassen sich für das UG inkl. dem nahrungsökologisch belangreichen Einzugsbereich folgende Merkmale ableiten:
- Verlassen die Bäche ihre Quellregionen im Oberlaufabschnitt der Waldareale des UG, so verlieren sie im weiteren Fließverlauf signifikant an Strukturgüte, bevorzugt in den von Siedlungen und der Landwirtschaft beeinflussten Offenlandflächen.
- Widerfuhren den Bachbett- und Sohlstrukturen der charakteristischen Waldbäche geringe bis mäßige Veränderungen, enthüllen die im Anschluss in das Offenland wechselnden Bachläufe teils folgenschwere Qualitätseinbußen mit starken bis vollständigen (naturfernen) Strukturwandlungen.
- Der Erhalt und die Entwicklung ehemals weit verbreiteter naturnaher Bachstrukturen, Zielstellung für eine verlässliche Biodiversität unserer Fließgewässer, leiden zunehmend durch forcierte Unterhaltungsmaßnahmen der Gewässerverläufe in Verbindung mit einer fortschreitend landwirtschaftlichen Intensivierung anrainender Auenbiotope.
- Verhängnisvolle und insbesondere für die auf Fließgewässer spezialisierte Gewässerfauna nicht passierbare Querbauwerke üben unweigerlich eine kumulierende Wirkung auf das Spannungsfeld schwindender biologischer Vielfalt aus. Eines der gravierendsten Probleme stellen unvermindert die vielen Abstürze (Fallhöhen)/ Hindernisse von Durchlässen sowie Wehr-/ Stauanlagen der Fließgewässer für viele wandernde Kleinfischarten und Wirbellose dar. Eine Durchgängigkeit ist oft nur periodisch oder bei einzelnen Wehren und Durchlässen im UG ganzjährig überhaupt nicht gewährleistet.
- Der Populationsaustausch und die Sicherung des Makrozoobenthos, einschließlich repräsentativer Fischarten und Rundmäuler der Bäche, ist für diverse Fließabschnitte nicht mehr gewährleistet und wird daher stark beschnitten. Die gegenwärtig nicht durchgängigen Bauwerke, wie eingebaute Rohre, Durchlässe, Abstürze und Wehre, sind demzufolge ökologisch umzugestalten und teils gegen durchgängige Varianten, wie z.B. effiziente Sohlgleiten und akzeptierte Fischaufstiegsanlagen, sukzessive zu erweitern oder vollständig auszutauschen.
- Speziell für die Makrozoobenthos liegen die ökologischen Ansprüche für eine dauerhafte Durchgängigkeit bei den vorhandenen Querbauwerken wesentlich höher. Je nach Substratzusammensetzung und Absturzhöhe können Kleinfische diverse Durchlässe, Wehranlage mit oder ohne Fischaufstiegsanalgen noch passieren, Wirbellose jedoch nicht mehr.
- Ferner sind randliche Gewässerschutzstreifen (≥ 10 m) für die empfindlich auf Umweltbelastungen reagierenden Bachverläufe und Auen im Offenland einzurichten, oder zu erweitern. Nur so können die gesteckten Ziele der EU-WRRL, die Gewässer bis 2027 in einen guten chemischen und ökologischen Zustand zu versetzen, gewissenhaft umgesetzt werden.
- Der Schwarzstorch steht als sogenannte Leitart an der Spitze der Nahrungspyramide des Ökosystems Bach und ist für eine erfolgreiche Reproduktion folglich auf ein naturnahes Bachnetzgefüge und eine dauerhaft naturnahe Gewässerunterhaltung dringend angewiesen.
Für anzusteuernde Revitalisierungsmaßnahmen ist auf der Grundlage bestimmender Einflussgrößen zuvor eine ökologische Gesamteinschätzung der betroffenen Fließgewässerabschnitte vorzunehmen. Diese sind insbesondere:
- Ökologische Durchgängigkeit (insbesondere Bewertung Querbauwerke)
- Gewässerstrukturgüte (u.a. Sohlsubstratvielfalt, Bettstruktur, Böschung- und Uferzone, Vegetation)
- Nährstoffeinträge, Gewässerrandstreifensituation, Auenbewertung Offenland, Retentionsflächen
Revitalisierungsmaßnahmen | Pflegehinweise und Kurzerläuterungen (primär für die Bereiche im Offenland = Mittel- und Unterlauf) |
(A) Gehölzbepflanzung und Gewässerrandstreifen | Bepflanzung am Gewässer mit Schwarz-Erlen, je nach Situation ein– oder beidseitige bzw. wechselseitige Bepflanzungen: § Beschattet Bäche, daher sauerstoffreicher und kühler; wichtiger Halt an der Böschung, Erosionen (Wurzelwerk!), Sedimenteintrag; § Struktur, Versteckmöglichkeiten für Fische, Habitate für Wirbellose; § Zunahme an Insekten (u. a. Fischnahrung); § Gewässerrandstreifen sind innerhalb landwirtschaftlich genutzter und anrainender Flächen grundsätzlich zu gewähren (Mindestbreite von 10 m); |
(B) Ufer- und Böschungsvegetation wieder entwickeln, bzw. Bestände umsichtig belassen (betrifft primär Bach- und Flussläufe im Offenland) | § Je öfter auf der gesamten Breite gekrautet wird, umso mehr Sedimente lagern sich am Boden ab und es muss vermehrt geräumt werden. Intensive Pflanzenmahd (Krautung) bedeutet immer dichter werdende Bestände und kostenträchtigere Unterhaltungsmaßnahmen (wirtschaftlicher Teufelskreislauf); § Keine Mahd der Uferböschung (Stauden sichern die Uferböschung und bilden Lebensräume für Vögel und Insekten, ferner dienen überhängende Ufer- und Pflanzenpolster als Fischverstecke); § Verbesserung der Selbstreinigungskraft, weniger erodierende Sande (Pflanzen- und Wurzelwerk übt auch Frostschutz aus und somit gewünschtes Entgegenwirken von unnötigen Uferabbrüchen!); § Gehölze mit einem Erlensaum sind die besten Regulatoren gegen einen zu starken Pflanzenbewuchs (Beispiel Igelkolben); |
(C) Schonende manuelle Mahd (keine maschinelle Krautung z.B. mit Krautkorb !)
| § Immer die Laichzeiten beachten (von Mitte Oktober bis Ende Juni als Ausschlusszeit); § Krautung per Handmahd und nur in der Stromrinne (schlängelnder Abflussquerschnitt, Freischnitt in der Regel auf 1/3 der Breite)! Nur dort, wo es wirklich erforderlich ist! Verbesserung der Strömungsturbulenzen und Sohlenstruktur! § Auch schmale Stromstriche leiten ausreichende Wassermengen ab; § Das Handmahdgut ist für 4-6 Stunden am Gewässerrand zu belassen, dann ist es aber abzutransportieren (Sickersaftkonzentrationen!); § Flexibilität ist gefragt, keine technokratischen Abläufe! § Der Gewässerunterhalter muss das Umfeld und die Lebensraumsituation mit betrachten (unterschiedliche Situationen an den Gewässerstrecken, Niederschlagsveränderungen usw.); |
(D) Grundräumung nur in Ausnahmefällen (Problem vor allem von Fließgewässern zwischen Ackerflächen)
| § Wenn im Einzelfall doch, dann vor Ort schonende Grundräumung – Kies- und Geröllbänke sind zu belassen; § Zeitlich begrenzte Grundräumung – nur vom 01. August bis 15. Oktober; § Im Bedarfsfall mit einer schonenden Handmahd kombinieren, siehe (C); § Aufstellung von darauf ausgerichtete Gewässerunterhaltungsplänen; |
(E) Gewässerstrukturvielfalt erlangen (inkl. Umfeld) | § Je mehr Verstecke (Steine, Wurzelwerk von Erlen, Totholz) am Fluss- und Bachbett, desto mehr Forellen im Revier; § Einlegen von Feldsteinen sowie Anlage von Kies- und Geröllbettlagen (Rauschen); § Das Laichbettangebot von Kiesbettlaichern (Forellen, Rundmäuler) ist im UG zu erhöhen; § Gezielte Anlage von neuen Laichplätzen aufgrund mangelnder natürlicher Angebote, hier muss eine umsichtige Umsetzungsstrategie erfolgen – genaue Auswahl der Plätze am Beispiel der Bachforelle: Wassertiefen 10-25 cm, Strömungsgeschwindigkeit ca. 40-100 cm/s, Gefälle 2-17 %, Laichsubstrat ø 10-50 mm (Masse ø 10-20 mm) usw.; |
(F) Ökologische Durchgängigkeit (Rückbau von Wehranlagen) | § Durchlässe (inkl. Verrohrungen an landwirtschaftlichen Überfahrten), Verhinderung von Sohlenabstürzen – Unterhalb der Verrohrung Anlage einer Stein- und Geröllpackung als Sohlgleite – bei langen Durchlässen Schaffung von Strömungsschatten (z. B. durch Holzlamellen); § Rückbau von Wehranlagen und Entschärfung von künstlichen Abstürzen; § Errichtung von Rauschen (Sohlgleiten); § Ein Umgehungsgerinne (Bypass) ist einem Fischpass (Aufstiegsanlage) für eine Stauanlage ohne Durchgängigkeit vorzuziehen; § Brückenbauwerke sind für Fischotter und weitere über Land wandernde Tierarten mit Bermen zu bestücken (knapp über Mittelwasser); |
Nachfolgend werden einige Detailkarten/ Fallbeispiele aus der Studie eingefügt:
Standgewässer
Neben den beschriebenen Fließgewässern ergänzen alternativ wechselnde Standgewässertypen die zentralen Nahrungsgründe des Schwarzstorchs im Fichtelgebirge. Abseits naturnaher Moorgewässer (Hoch- und Übergangsmoore) und temporärer Blänken der Hochlagen zählen vor allem künstlich angelegte Fischweiher und vom Biber an Fließen gestaltete Rückstautümpel zu den vom Schwarzstorch regelmäßig aufgesuchten Nahrungsquellen. Aber auch durch die BaySF im Zuge von Biotopaufwertungsmaßnahmen künstlich angelegte und sich entfaltende Moortümpel erwecken zunehmend das gewünschte Interesse beim Schwarzstorch.
Doch diese Überspannungen werden immer noch unsachgemäß ausgeführt und die Netze besitzen u.a. für den Schwarzstorch kleinere Einstiegmöglichkeiten zum Teich inkl. Ufer.
Nach der Nahrungsaufnahme verheddern sie sich mitunter in den Netzen, da sie den zuvor gewählten Einstiegsbereich nicht immer auf Anhieb wieder finden und fixieren können. Noch prekärer entwickelt sich die Situation vor Ort, wenn Menschen diese überspannten Teiche plötzlich anlaufen/ anfahren und die Störche daraufhin unerwartet aufschrecken. Die Schwarzstörche versuchen im typischen Fluchtverhalten abzufliegen und bleiben, je nach gewählter Maschenweite der Netze, im Nylonfaden hängen. Werden sie dann nicht befreit, verenden sie immer wieder im Netz oder ertrinken qualvoll!
Besonders schmerzlich sind die Verluste zum Zeitpunkt fütternder Brutstörche (beim Verlust des Männchens sind die Jungen in der Regel vollständig verloren). Verwundert trifft man bei einer Kontrolle dann verhungerte Jungstörche auf dem Nest an, ohne zunächst die genauen Ursachen entschlüsseln zu können (siehe Abb. 25). Die unnötige Todesfalle an den Fischteichen steht, neben Freileitungsanflügen und der Stromtod an immer noch ungesicherten Mittelspannungsmasten, an erster Stelle beim Verlust unserer Brutstörche während der Aufzuchtzeit! Aber auch riskant verdrahtete Viehtränken an flachen Bachufern der Viehweiden führen zu Verletzungen oder dem Tod.
Ein teuflischer Kreislauf zeichnet sich unweigerlich ab:
- Immer weniger naturnahe Fließgewässerabschnitte stehen den Schwarzstörchen aufgrund aufgelisteter Mängel im UG als ganzjährig annehmbares Nahrungsreservoire für eine erfolgreiche Reproduktion zur Verfügung.
- Die Schwarzstörche sind infolgedessen gezwungen auszuweichen, nach passenden Alternativen zu suchen und müssen, um ihre Bruten zu sichern, noch intensiver die im Einzugsbereich befindlichen Fischteichanlage erschließen.
- Hier geraten unsere Schwarzstörche aber zwangsläufig in ein kontroverses Konfliktfeld mit den Bewirtschaftern konventioneller Fischproduktion. Sie riskieren Verletzungen oder nehmen gar einen leidvollen Tod in Kauf.
- Es fehlen behördlicherseits die nötigen Aufklärungsgespräche mit den Bewirtschaftern (Pächtern und Eigentümern), um insbesondere:
- die technischen und artenschutzfachlichen Ansprüche bei der Verwendung von Spannnetzen konfliktfrei umzusetzen (u.a. Maschenweite ≤ 5 cm, saubere seitliche Bespannung ohne Einstiegpassagen);
- Ausgleichzahlungen für nachweisliche Ertragsverluste explizit durch Großvögel für nicht mit Netzen oder gefährlichen Spanndrähten versehene Teiche anzubieten (erfüllende Fördertöpfe sind dringend zu organisieren);
- Ausgleichzahlungen für den Einsatz engmaschiger Netze bereitzustellen (die Netze mit einer Maschenweite ≥ 5 cm sind umgehend auszutauschen, Prüfungen nach Einstieglöchern und Reparatur/ Austausch sind vorzunehmen, Spanndrähte sind grundsätzlich nicht zu verwenden und abzuschaffen);
- die Bewirtschafter letztendlich auf den sensiblen Umgang und zugleich den rechtlichen Status dieser nach nationalem und europäischem Recht streng geschützten Großvogelart hinweisen und für eine engere Zusammenarbeit zu werben;
Für eine dauerhafte Sicherung der Nahrungshabitate im Intimbereich des Schwarzstorches sollte bei den Standgewässern der Fokus generell auf die Quellmoorareale gerichtet sein und weniger auf die Fischteiche.
Schwarzstörche suchen zur Errichtung ihrer imposanten Nester mit Vorliebe die Quellzonen, die Lebensadern der entspringenden Bäche im Fichtelgebirge, des Brutwaldes auf. Mit einer kontinuierlichen Revitalisierung dieser Bachoberläufe und Quellmoore wird ein entscheidender Beitrag für die waldbewohnende Leitart Schwarzstorch und dessen Reproduktion geleistet. Neben der Freistellung von Quellbereichen, dem Waldumbau im näheren Bachumfeld mit der Entwicklung naturnaher Strukturen, der Anlage von Moorblänken (siehe Abb. 37 und 38), zählt gleichermaßen die bereits erwähnte Fließgewässersanierung (Strukturgüte anheben, Rückbau und Sanierung von Querbauwerken etc.) zu den erklärten Zielen.
Je flächendeckender eine kontinuierliche Nahrungsverfügbarkeit aufgrund zuvor korrigierter ökologischer Zustände in den naturnahen Quell-, Moor- und Bacharealen zum Tragen kommen wird, umso seltener müssen die mit ihren unberechenbaren Gefahrenquellen behafteten Fischteiche von den Störchen vor allem während der Aufzucht ihrer Jungen aufgesucht werden.
Gefährdungen durch Freileitungsanflüge und Stromtod an Freileitungsmasten
Fazit
Gegenwärtig wird der Brutbestand des Schwarzstorches im Fichtelgebirge auf den Prüfstand gestellt. Eine erste Diagnose über die Situation innerhalb der belangvollen Brut- und Nahrungshabitate wurde für das östliche Teilgebiet vorgenommen.
Eingeschränkt durch ein regional eingeleitetes Störungsjahr und einhergehend mit einem signifikanten Fernbleiben traditioneller Revierstörche im UG entwickelten sich bereits im Frühjahr während der obligatorischen Ansitze erste unkalkulierbare Hürden. Für das bemessene Zeitfenster der frühjährlichen Schwarzstorch-Revierbesetzungsphase erhöhte sich unvorhergesehen der Zeitaufwand, um letztendlich ein nicht belegtes Revier zu dokumentieren (Negativbeleg).
Mit nur einem erfolgreich ausgeflogenen Jungstorch wurde in 2023 ein absoluter Tiefstand für die östliche Teilfläche analysiert.
Inwieweit die ersten beleuchteten Defizite, insbesondere der äußerst komplex auf die Populationsdynamik schwindenden Qualitätszustände der Nahrungshabitate, nachhaltigen Einfluss nehmen, ist weiter zu verfolgen. Weitere entgegenwirkende Revitalisierungsmaßnahmen sind vor allem für das vorhandene Fließgewässernetz zu veranlassen.
Ferner sind die im Zusammenhang stehenden und notierten Prognosen zur Mortalität der Altstörche während der Brutzeit aufgrund registrierter Missstände im interaktiven Raumnutzungsfeld der Schwarzstörche zwischen Brut- und Nahrungsareal nicht zu unterschätzen. Auch hier sind entsprechende Gegenmaßnahmen einzuleiten.
Neben der Einrichtung einer Nestschutzzone gelten parallel fortlaufende Quellmoor- und Bachsanierungen zu den wirksamsten Schritten hinsichtlich einer einzufordernden Stabilisierung und langfristigen Sicherung der hiesigen Schwarzstorchpopulation im Fichtelgebirge.
Der generell hohe Zeitaufwand für die Erfassung von Schwarzstorchbrutplätzen lässt sich als "das Fundament" aber nur dann auch wirklich rechtfertigen und macht fachlich Sinn, wenn im fließenden Übergang die Brut- und Nahrungsstätten schlüssig analysiert und die jeweils aufgezeigten Defizite für einen nachhaltigen Schutz unserer Schwarzstörche rasch und sachbezogen abgestellt werden können.