Featured post

Zur aktuellen Situation des Schwarzstorchs im Fichtelgebirge (Oberfranken)

Brutmännchen "Torres" bewacht seinen Nachwuchs an einem traditionellen Brutplatz im Zentrum des Fichtelgebirges. Der Bursche wurde...

Friday, December 30, 2022

Neue Hinweise zur Mauser und zum Ansiedlungsverhalten nestjung beringter Schreiadler in M-V

Abb. 1: Schreiadler (LSE) im 3. Kalenderjahr (K3) während einer ersten spätsommerlichen 'Findungsphase' im angestammten Verbreitungsgebiet M-V. Besonders von Juli bis August lassen sich LSE vorzugsweise im K3 und K4 in bereits besetzten oder auch potentiellen LSE-Revieren feststellen. Beide Geschlechter des LSE können mithilfe vorliegender Kennring-Auswertungen erstmalig im K5 brüten. Erfolgreiche Bruten finden jedoch in der Regel erst im K6 statt. Bis dahin lauern jene K4- und K5-LSE als bewährte Brutreserve und sondieren wiederholt die Lage in den Revieren im Standby-Modus.

Abb. 2: Nestjung beringte Kennring-LSE liefern für das uns bekannte Brutgebiet in M-V nicht nur essentielle Daten zum späteren Ansiedlungsverhalten, sie dokumentieren ferner die teils diffizilen Abfolgen der LSE-Staffelmauser des Großgefieders vom Alterskleid K2 bis K4. 
Gelegentlich werden immer noch K2- oder K3-LSE auf den bekannten Plattformen/ Foren geführt - dies, obwohl ihnen offenkundig die erforderlichen Belege für eine sichere Alterskleid-Zuordnung in der Summe fehlen. 
Mit besonderer Vorsicht sind in diesem Zusammenhang sitzende LSE mit der Altersangabe 'K2' zu betrachten. Abb. 3, 10 und 14 skizzieren charakteristische Beispiele.

Abb. 3: Trotz der noch umfangreich vorhandenen weißen Spots - u.a. auf den Armdecken - handelte es sich bei dem hier abgebildeten Adler bereits um einen K4-LSE !

Der sichere Weg für eine K2- bzw. K3-Zuordnung kann nur über einen sauber ableitbaren Mauserzustand der Hand- und Armschwingen, hier festgehalten mithilfe aussagekräftiger Flugbilder oder mittels vollständig ausgestreckter Flügel beim sitzenden Adler, führen. 
Bei den uns vertrauten Mauserzyklen weicht zuweilen nicht nur die Arm- und Handdecken-, Kopf- und sonstige Kleingefieder-Mauser von den traditionellen Lehrbüchern ab - selbst die Staffelmauser der Hand- und Armschwingen differiert in Ausnahmefällen von geläufigen Mustern!
Frühjährliche und eher von der Norm abweichende Mai- und Juni-Nachweise eines K2-LSE sind im ansässigen Brutgebiet generell sehr kritisch unter die Lupe zu nehmen.


Abb. 4 und 5 (Variante 1): Für eine seriöse Alterskleid-Bestimmung eines K2- oder K3-LSE sollten grundsätzlich detaillierte Flugbild-Aufnahmen zurate gezogen werden. 
Selbst wenn die abgestufte Großgefieder-Mauser mitunter Abweichungen festhält, so liefert sie in der Regel die bestimmenden Merkmale für schlüssige Alterskleid-Angaben beim LSE - beispielsweise bis zum Mauser-Abschluss der zweiten identischen Handschwingen-Generation. Allerdings ist zu beachten, dass für die pp1-3 (4) bis zum Spätsommer/ Herbst des K3 bereits zum zweiten Mal eine Mauser abgeschlossen sein kann. Demzufolge sind ab dem K3 immer wieder drei Generation der Handschwingen zeitgleich zu sehen.
Die nachfolgenden Aufnahmen legen zunächst den Fokus auf die äußeren Handschwingen pp8-10. Sie schließen, abgesehen von wenigen Ausnahmen, deszendent die Handschwingen-Mauser der zweiten Generation für die K3- bzw. K4-LSE ab.
Die beiden Flugaufnahmen der Variante 1 zeigen einen identischen LSE im K3. Er besitzt zum Ende der Saison immer noch die juvenilen pp 9-10, aber präsentierte parallel schon wieder frisch links p1 und rechts pp1-2 der dritten Generation.
Ebenso können K3-LSE in der gleichen Kalenderwoche nur noch die juvenile p10 als Überbleibsel gemäß Abb. 6 (Variante 2) vorzeigen. 
Oder sie schließen, wie Abb. 7 (Variante 3) belegen kann, die Mauser der äußeren beiden Handschwingen zum selben Zeitpunkt auch vollständig ab (pp9-10)! 
Folglich sind dann Verwechslungen mit einem K4-LSE keineswegs abwegig und können allemal für Irritationen sorgen.
 
Abb. 6 (Variante 2): Dieser K3-LSE zeigte am 29. August von den Handschwingen der ersten Generation nur noch p10. (vergleiche dazu Variante 1 der Abb. 4-5, hier pp9-10 zur selben Zeit noch juvenile).

Abb. 7 (Variante 3): Dieses beringte Männchen präsentierte hingegen am 30. August für denselben Zeitraum im Spätsommer, wie bei den weiter oben abgebildeten K3-LSE der Varianten 1 und 2, dass die Handschwingen-Mauser einer Generation im K3 auch vorzeitig abgeschlossen werden kann (inkl. pp9-10). Bei dem abgelichteten LSE ist zudem bemerkenswert, dass die zweite einsetzende Mauser der inneren Handschwingen in der rechten Hand bereits p5 erreichte. All diese Indizien sprechen in der Summe zunächst eher für ein klassisches K4-Abbild eines LSE im Spätsommer/ Herbst. 
Mithilfe solcher Kennring-LSE werden derart interessante 'K3-Ausreißer' dokumentiert. Dieser Nachweis belegt und weist nachdrücklich auf eine stets komplexe Betrachtungsweise hin, um den erfolgreichen Versuch zu unternehmen, eine korrekte Alterskleid-Bestimmung, hier insbesondere zwischen einem K3- und K4-LSE, abzuleiten.

Abb. 8 (Variante 2): LSE female im K3 mit beidseitig erhaltener juveniler p10 und frischer p9 (04. August 2015).

Abb. 9: Links der Mauserzustand eines K3-LSE kurz nach dem Sommeranfang. Bei den äußeren Handschwingen existieren zum Zeitpunkt beidseitig nur noch die juvenile p10. Beide pp9 schieben indessen zum ersten Mal neu und werden später im August in der Hand wieder voll ausgeprägt sein. Beachte die Erneuerung einzelner innerer Handschwingen. Sie leiten den zweiten gestaffelten Austausch ein. Im Spätsommer/ Herbst zeigen dann pp1-3 (4) den vermauserten Status.
Rechts identischer LSE bereits im K4 - hier schieben beidseitig p7 neu und sie sollten dann Ende August vollständig in der Hand zu sehen sein. Bemerkenswert ist vor allem der Mauserzustand der inneren Hand. In der linken Hand wachsen pp2-3 neu - ein interessanter Hinweis, dass die LSE durchaus in der Lage sind und ihre pp1-4 nach dem ersten Wechsel im K2 in den folgenden Kleidern jeweils bis zum Saisonausklang im Herbst abermals erneuern können (siehe links p2 schiebt jeweils im K3 und K4 neu)
Weiterhin ist zu beachten, dass die Abfolge ab der 2. bzw. 3. Mauser der Handschwingen offensichtlich nicht lehrbuchreif und folglich nicht zwingend deszendent verlaufen muss. Die aszendente Abfolge beim rechten K4-LSE belegt dies und sorgt zusätzlich für Verwirrungen! Derartig bemerkenswerte Ausnahmen zum Mauserverlauf der Handschwingen sind aber erst mithilfe unserer Kennring-LSE möglich und überprüfbar geworden. Die nächsten Jahre werden voraussichtlich dokumentieren, ob weitere beachtenswerte Belege und Abweichungen folgen.

Abb. 10: Ein charakteristisches Beispiel für eine vorstellbare Kalenderjahr-Zuordnung eines zunächst nur sitzenden 'LSE-K2-Kandidaten' im Frühjahr. Im Sitzen identisch gezeichnete LSE kursieren zuweilen auf Plattformen und werden teils zu vorschnell als K2-LSE geführt. 
Erst ein ausgestreckter Flügel bzw. abfliegender Adler lüftet zweifelsfrei das Geheimnis und offenbart, wenn sich der Betrachter mit der Handschwingen-Mauser vertraut zeigt, für viele dann verblüffend einen K3-LSE. 
Passend zwischen Mitte Mai und Mitte Juni beobachtete K3-LSE präsentieren im Vergleich zu ihren im späteren Saisonverlauf viel regelmäßiger anzutreffenden 'Spätsommer-K3-LSE' (Ende August/ Anfang September) oft noch die zwei äußeren pp9-10. 
Außerdem steht nicht selten bereits die zweite innere Handschwingen-Mauser an (pp1-3). Im September/ Oktober sieht man dann auf dem Wegzug in Israel immer wieder K3-LSE, welche inzwischen frische pp1-3 der neuen Generation tragen (eigene langjährige Studien im Northern Valley zwischen 2001-2013).

Abb. 11: Ein Tag für die Ewigkeit in Israel während der Zählsaison 2005. Über 12 Seiten füllte ich seinerzeit nur für den Schreiadler am 02. Oktober aus - dem sogenannten 'peak day'. Abgebildet ist eine Zusammenfassung für den Beobachtungszeitraum meiner eingenommenen Station in Elroi (Northern Valley). Zwischen 11:12-13:10 Uhr Ortszeit zogen 20.300 LSE über meinen Posten. Nach der Eliminierung sämtlicher Doppelzählungen zwischen den 10 belegten Zählstationen kamen wir am 02. Oktober 2005 auf insgesamt 52.250 LSE für das Northern Valley! 
13 Jahre lang unternahm ich dort jeweils für vier Wochen (September/ Oktober) ausgiebige Greifvogel- und Schwarzstorch-Studien. Eine für mich in Stein gemeißelte Epoche, gepflastert mit unvergesslichen Erlebnissen, einem gefüllten Notizbuch und unbezahlbaren Erfahrungen! Hier gab es auch immer wieder etwas über den Mauserverlauf diverser K2- und K3-LSE auf dem Wegzug zu lernen.

Abb. 12: Dieser LSE bekundete am 28. August den typischen Mauser-Status eines K2-Adlers in den Handschwingen. Während die sechs äußeren Handschwingen (pp5-10) unverändert die juvenilen K1-Merkmale zeigen, vermauserten in der Zwischenzeit vollständig pp1-4 im K2. Bis zum Wegzug im September/ Oktober wurden auch regelmäßig K2-LSE beobachtet, wo inzwischen für p5 die Mauser einsetzte oder bereits abgeschlossen war (einige Nachweise auf dem Wegzug in Israel 2001-2013).

Abb. 13: Wie auf Abb. 12 sieht man in der Hand dieses K2-LSE ebenfalls die äußersten pp5-10 der ersten (juvenilen) Generation. Die Aufnahme entstand auf dem Wegzug in der Tschechischen Republik - abseits des angestammten Brutgebietes dieses LSE aus M-V. 

Abb. 14: Die Kopf-, Hals-, Brust- und Bauchzeichnungen können nach einer Teilmauser des Kleingefieders auch zwischen K2- und K3-LSE übereinstimmende Merkmale offenlegen. 
Ebenso liefert die Iris-Färbung definitiv kein sicheres Merkmal, um das LSE-Alter, insbesondere bis zum K5/ K6, zweifelsfrei abzuleiten. Eine auffallend dunkle Iris wird mitunter überstürzt als Hinweis für einen K2- oder K3-LSE gewertet. Mitunter lassen sich selbst K5-LSE mit einer intensiv dunklen Irisfärbung beobachten (vor allem die Weibchen, bei Hybrid-LSE ist zudem noch mehr Vorsicht geboten).  
Die hier begrenzt abgebildeten Muster der vermauserten dunklen Spots an Kopf, Hals und Brust sowie auf den Armdecken variieren erstaunlich und können jeweils K2- bzw. K3-LSE in fast identischer Ausprägung betreffen.  
Die inzwischen fast vollständig fehlenden weißen (juvenilen) Spots des linken LSE, hier im Vergleich mit dem rechten LSE gleichen Alters, weisen ferner auf die zu beachtenden Variablen eines K2-Kleides im Saisonverlauf hin.

Abb. 15: Bestimmungsschlüssel für die Mauser-Generationen der Handschwingen des Lesser Spotted Eagle bis zum K4. 
Die Auswertungen/ Skizzen basieren ausschließlich auf persönliche Studien im Brutgebiet und während des Wegzuges in Israel zwischen 1989-2022. Ungeachtet dessen werden mit Sicherheit vereinzelte Abweichungen von den dargestellten Sequenzen auftreten. Außerdem sollte in der Summe für eine zuverlässige und abschließende Alterskleid-Zuordnung der hier im abgebildeten Schlüssel nicht berücksichtigte Armschwingen-Mauserverlauf mit einbezogen werden. 
Abb. 4 stellt ein praxisbezogenes Anwendungsbeispiel für drei vorhandene Handschwingen-Generationen einer laufenden Staffelmauser eines K3-LSE im Spätsommer zur Verfügung.

Abb. 16: Ein besonders effizienter Schnappschuss für das zu erforschende Dispersal anhand von gleich zwei Kennring-LSE in M-V. 
Bevor ein LSE erstmalig seinen Brutplatz als fertiler Revier-LSE bezieht ('natal dispersal') besucht er vorrangig im K3/ K4 während seiner sogenannten 'Findungsphase' ('pre-phase' of natal dispersal) regelmäßig bekannte oder geeignete (ggf. bis dahin auch noch unbekannte) Revierplätze. In diesem Zusammenhang sticht eine Präferenz für die Monate Juli und August für solche Herumtreiber hervor.
Der oben abgebildete K3-LSE zeigte explizit dieses Verhalten - hier indem er am 29. August zunächst ein bereits erfolgreich besetztes Brutrevier besuchte und parallel vom dortigen Brut-Weibchen "Kati" die gesamte Zeit begleitet wurde. Zum Zeitpunkt befand sich der K3-LSE auch nur 7 km vom Geburtsort entfernt. Zwei Tage später, am 31. August, absolvierte der gleiche K3-LSE ein beachtliches 'jumping' von 31 km, um sich an einem bisher noch unbesetzten LSE-Platz für mind. zwei Tage aufzuhalten (es handelte sich um den fotografierten LSE in Abb. 4 und 5). Der Abstand zum Geburtsort erhöhte sich am dortigen Standort auf 22 km. Sollte dieser K3-LSE den kommenden Winter überleben, liegen die Aussichten für eine Rückkehr im Umfeld der zurückliegenden August-Nachweise relativ hoch, dann als K4-LSE - so zeigen es zumindest die jüngsten Studien.
Das abgelichtete untere Brutweibchen "Kati" brütete 2020 und 2021 noch beachtliche 50 km vom 2022er-Brutplatz entfernt. Der Umzug kam sicher etwas überraschend. Vermutlich ist es auf dem Heimzug am neuen Platz aufgrund eines fehlenden Weibchens 'hängengeblieben'. Der für 'Kati' neue Platz ist ein altbekannter und erfolgreich besetzter Brutplatz inmitten des unbestrittenen LSE-Hotspots für M-V. Hier brüten auf engem Terrain bis zu sechs Paare (vergleichbar mit den Hotspots im brandenburgischen Randowtal). 

Abb. 17: Ein Paradebeispiel für die ausgesprochene Ortstreue unserer LSE-Männchen in M-V. Männchen 'Gerd' brütete und verpaarte sich in den zurückliegenden 16 Jahren mit vier verschiedenen Weibchen und befindet sich nunmehr minimal im K20! Aufgrund der spezifischen Gefiedermerkmale ist dieser hübsche Kerl für mich seit 2007 unverwechselbar am Platz zu beobachten und ersetzt gewissermaßen den Kennring. Nur das exakte Geburtsjahr von 'Gerd' fehlt mir. Zweifellos ist für ihn aber das Mindestalter abrufbar, da LSE frühestens im K5 zur Brut schreiten und sich dementsprechend am Brutplatz verpaaren können. 'Gerd' befand sich folglich 2007 mindestens im K5. Die ältesten beringten LSE erreichten bei meinen Auswertungen für zwei Männchen bislang das K26 in M-V. Bedauerlicherweise trugen beide Männchen zum Zeitpunkt ihres Ablebens jeweils einen für ihr inzwischen sehr hohes Alter gewiss nicht förderlichen Sender. Deshalb scheint m.E. das Erreichen eines Alters von 28-30 Jahren für einen LSE ohne Fremdkörper auf dem Rücken in freier Natur in Ausnahmefällen durchaus realistisch zu sein.

Abb. 18: Das abgebildete Brut-Männchen, ich benannte es 1997 'Panni', zählte mit dem Ablauf seines 26. Kalenderjahrs im Herbst 2017 und dem eingeleiteten Übergang zum K27 nicht nur zum bisher ältesten (belegten) LSE in Deutschland. 'Panni' vertraute mir auch lückenlos über 21 Jahre seine bemerkenswerte Lebensgeschichte während der vielen gemeinsamen Monate zur Brutzeit an. Sicher auch ein absolutes Novum für eine derartig vollständige Untersuchungsreihe innerhalb Deutschlands und ein weiterer Beleg für die äußerst reviertreuen Männchen! 
  • 'Panni' wurde seinerzeit im Jahr 1992 nestjung mit einem Stahlring der Beringungszentrale Hiddensee südlich von Teterow (Landkreis Rostock) beringt.
  • Erstmalig konnte ich 'Panni' 1997 schon als Jungspund und K6-LSE in einem zuvor seit 1994 neu von Schreiadlern erschlossenen Brutrevier "PAN" innerhalb meiner Monitoringfläche beobachten (die letzten beiden Ziffern '70' waren von 'Pannis' Ring ablesbar). Inzwischen neu verpaart, verlief die Brut 1997 im K6 allerdings noch negativ. 
  • Die Ansiedlung zwischen Geburts- und Brutort betrug 24 km (natal dispersal).
  • Von 1997-2017 besetzte 'Panni' diesen Brutplatz mit dem Kürzel "PAN" durchgängig.
  • 'Panni' verpaarte sich in den 21 Jahren mit sechs unterschiedlichen Weibchen (die Brut-Weibchen ließen sich mittels intensiver Feldstudien und spezifischer Kennzeichen/ Fotos eindeutig zuordnen). Hier lagen inzwischen erste Hinweise vor, dass die Brut-Weibchen einfach umtriebiger sein müssen und nicht lebenslang, so wie ihre Brut-Männchen, streng am Brutplatz festhalten werden. Nicht alle der sechs gewechselten Brut-Weibchen werden demzufolge auf ihren Zugwegen oder am Brutplatz plötzlich verunglückt sein. Vielmehr können, wenn auch keineswegs regelmäßig, einzelne Brut-Weibchen ihr gewähltes Brutrevier immer wieder sporadisch wechseln (siehe 'Kati' breeding dispersal Abb. 16).
  • Da die Brut-Weibchen in der Regel die Nistplatzwahl vorgeben (von den 211 in 34 Jahren näher untersuchten Fällen zur Brutplatzwahl trafen an 195 Plätzen die Brut-Weibchen bei der Neuwahl/ dem Brutplatzwechsel die Entscheidung = 92 %), war es beim "Weibchen-Verschleiß" von 'Panni' auch nicht sehr verwunderlich, warum im Verlauf der 21 Jahre insgesamt zehn unterschiedliche Nistbäume genutzt wurden (7 x Stiel-Eiche, 1 x Birke, 1x Fichte, 1 x Lärche). Ein plötzlicher Nistplatzwechsel hängt deshalb nicht zwangsläufig mit anknüpfenden Störungen im Intimbereich des Brutplatzes im Zusammenhang - vielmehr kann ein Partnerwechsel ebenso häufig den Grund dafür auslösen. 
  • In 13 von 21 Seasons verliefen die Bruten mit einem ausgeflogenen Jungadler erfolgreich (62 %). Ausnahmsweise fand 2010 eine erfolgreiche Brut mit 2 Jungadlern statt.
  • 2012 wurde 'Panni' von B. Meyburg zusätzlich besendert. Zum Zeitpunkt der Besenderung (08.08.2012) wog 'Panni' 1.550 g und die Flügelspanne betrug 1.520 mm (zum Vergleich: Brut-Weibchen 'Peggy' vom Brutrevier "LEV", sie wurde am gleichen Tag besendert, wog 1.675 g und wies eine Gesamtspanne von 1.580 mm auf.). Mithilfe der Besenderung als Fängling wurden die bisherige Codierung der letzten beiden Ziffern des Ringes bestätigt und als 'Panni' mit "CA 001670" vervollständigt. Der Sender von 'Panni' fiel jedoch 2014 vorzeitig aus und stellte daraufhin keine weiteren Daten im Brutrevier und auf seinen Zugwegen zur Verfügung ....
  • 2017 wurde mein verehrter 'Panni' letztmalig am Brutplatz bei einer erfolgreichen Brut beobachtet. Danach verließ er die große Bühne und ein großartiges Kapitel in meiner langjährigen Schreiadler-Forschung endete. Der Bub fand sicher auf dem Wegzug, bzw. anschließend im Überwinterungsgebiet oder gar erst im Frühjahr 2018, dann schon im K27 auf dem Heimzug, ein eher unschönes Ende..... 
Liest man in der einschlägigen Fachliteratur nach (u.a. in FORSMAN, 2016), so ist allgemein von einem graduellen Rückgang der Bänderungen auf den Hand- und Armschwingen in Abhängigkeit zum fortschreitenden Alter eines LSE zu lesen. Dies jedoch ohne auf bestimmende Details näher einzugehen.
Mithilfe umfassender Auswertungen von über 320 LSE-Aufnahmen, wobei letztendlich das exakte Alterskleid dem jeweiligen LSE zugeordnet werden konnte, sind für die in Korrelation zum Alter stehenden Bänderungsmerkmale zukünftig geschlechterspezifische Unterschiede/ Hinweise zu beachten.

Prinzipiell kann über die analysierten geschlechterspezifischen Abweichungen für den altersbedingten Rückgang der Hand- und Armschwingen-Bänderungen in M-V vermerkt werden:
  • männliche LSE präsentierten bis zum K11 in der Regel immer noch sehr deutliche Bänderungen der Armschwingen und inneren pp 1-5 (Abb. 19-20);
  • männliche LSE zeigten im reifen ('voll-adulten') Alter, hier bis zum K15, teilweise immer noch sichtbar ausgeprägte Bänderungen auf den Armschwingen und inneren pp 1-4 (Abb. 21);
  • männliche LSE im sehr hohen Brutalter, hier im ≥ K20, skizzierten teils immer noch die obligatorischen Bänderungen (insbesondere pp1-3), wenn auch zuweilen verschwommen und längst nicht mehr so kontrastierend (Abb. 17, 22-25 - beachte stets die Lichteinflüsse);
  • weibliche LSE verloren hingegen ihre Bänderungen auf den Hand- und Armschwingen signifikant früher, vergleiche die ersten sichtbaren Unterschiede ab K9/K10 (u.a. Abb. 56) - zu beachten ist der für Weibchen im Gros registrierte dunklere Gesamteindruck/ Färbungseinfluss der Hand- und Armschwingen - der Kontrast zur Bänderung verliert sich deutlicher, obwohl die Bänderung immer wieder bis zum K12 existierte, wie die Musterung gefundener Mauserfedern (insbesondere Armschwingen) am Brutplatz zusätzlich belegten;
  • bei besonders dunkel gezeichneten Weibchen verschwimmen/ verschwinden die Bänderungen bereits ab dem K9, sie sind dann oft nur noch fragmentarisch unter günstigen Lichtverhältnissen zu erkennen - vorhandene Bänderungen fallen, wenn überhaupt, oft nur noch bei pp1-4 und ss1-2 auf (siehe Abb. 26, 47);
  • weibliche LSE lassen letzten Endes im reifen Alter ≥ K15 die anfänglich noch definierten Bänderungen mitunter vollständig missen, wie Abb. 27 dokumentierte;
Abb. 19: Dieses Brut-Männchen weist im K9 unverändert markante Bänderungen der Armschwingen und inneren Handschwingen auf.

Abb. 20: Bei älteren Brut-Männchen wird eine abnehmende Intensität der Bänderungen auf den Arm- und inneren Handschwingen langsam offenkundig, dennoch stehen die dunklen Bänder immer noch sichtbar im Kontrast zur helleren Fahnen-Bänderung. Hingegen verschwindet dieser besagte Kontrast im selben Alter bei vielen Brut-Weibchen häufiger und die charakteristischen Bänderungsmerkmale verschmelzen miteinander. Die dort inzwischen teils kontrastlos erscheinenden Bänder sind unter der Zunahme des dunklen Gesamtbildes der Armschwingen dann nur noch unter passenden Lichtverhältnissen zu finden.

Abb. 21: Auch bei brutreifen Männchen, wie hier im K13 abgelichtet (20th May 2020), können die Bänderungsmerkmale auf den Armschwingen und inneren Handschwingen immer noch deutlich kontrastieren. Beachte ferner das sich langsam vollendende dunkle Band im Auslauf der großen Unterarmdecken - ein ergänzender Hinweis für bereits ältere LSE dieser Färbungsmorphe (LSE-Unterseitenzeichnungen variieren teils beachtlich).

Abb. 22: 'Panni' präsentierte im K24 unter günstigen Lichtverhältnissen immer noch diffuse Bänderungen. Die letzten markantesten Merkmale lassen sich auf pp1-3 finden (siehe u.a. auch Abb. 24).

Abb. 23: Im K26 sind bei 'Panni' kaum noch Bänderungen zu finden (04. August 2017).

Abb. 24: Eine der letzten Aufnahmen von 'Panni' bei der Versorgung seines Jungadlers im Jahr 2017 mit Hinweisen über das Zeichnungsmuster seiner Hand- und Armschwingen-Fahnen.

Abb. 25: Diese Aufnahme zählte zur letzten annehmbaren Flugaufnahme von 'Panni' vor dem Verlassen seines über 21 Jahre treu belegten Brutplatzes in 2017. Im Folgejahr war das Warten auf meinen geliebten Prinzen leider dann vergebens...
Beachte die verbliebene Bänderung auf pp1-3 (4).

Abb. 26: Hier einer der beiden in Polen nestjung beringten und später in M-V brütenden LSE. Mit etwas Geduld und guten Kenntnissen über die Gewohnheiten des Weibchens gelang letztendlich die Ablesung des Metallrings (Laschenring). Ob mithilfe einer zuvor am Luderplatz positionierten Wildkamera dieser Metallring letztendlich auch zu "knacken" gewesen wäre, scheint wohl doch eher fraglich..... 

Abb. 27: Wenn keine Auslöser für ein typisches 'breeding dispersal' bei den Brut-Weibchen vorliegen (Merkmale dieser Auslöser siehe weiter unten), dann können sie, wie es die Brut-Männchen eindrucksvoll belegen, ebenfalls sehr lange an einem Revier-Standort festhalten. Hier finden dann eher nur minimale Standortwechsel innerhalb des Reviers von 0,5 bis 1 km statt. 
Allerdings stellt sich hier die fachliche Frage, ab wann man von einem 'breeding dispersal' für die Statistik noch sprechen kann und welche Voraussetzungen bei derart intern gelagerten Umzügen/ Streuungen für das 'breeding dispersal' vorliegen müssen? In Tabelle 1 ordnete ich die kürzeren Distanzen/ Wechsel, hier ausschließlich der Kennring-LSE eines Reviers, vorübergehend und bis zur weiteren Klärung als 'breeding dispersal' mit ein. Auch wenn eine Definitionsklärung noch etwas verschwommen scheint, die essentiell ableitbaren Werte sind zweifelsfrei aus einem 'richtigen' Revierwechsel vor und während des Brutgeschehens abzuleiten. Vielleicht sollte ein Splitting im 'breeding dispersal' vorgenommen werden (interne Kurz-Wechsel im Revier im Vergleich zu einem weiträumigen Wechsel außerhalb der bisher belegten Reviere).
Das abgebildete LSE-female "Quintessa" befand sich in 2022 inzwischen im K20 und brütet seit nunmehr 11 Jahren in Folge im selben Brutrevier. Diverse Umzüge von bis zu 800 m innerhalb des Revierplatzes wurden dokumentiert und fanden auch im 'breeding dispersal' eine entsprechende Beachtung. 
"Quintessa" zeigte ferner die klassischen Merkmale für den erwähnten Rückgang der Bänderungsmerkmale im fortgeschrittenen Alter eines Weibchens.

Die Erkenntnisse zum Dispersal nestjung beringter LSE in M-V werden wie folgt ergänzt:
  • Die vorhandene Brutreserve wird in M-V kontinuierlich, was maßgeblich die Kennring-LSE Wiederfunde inzwischen belegen, nahezu komplett durch den eigenen Nachwuchs aus M-V abgedeckt. Bislang existieren nur zwei Nachweise aus Polen ('natal & breeding dispersal') und ein Beleg aus Brandenburg ('natal dispersal'), wo die nachrückende 'Brutreserve' für M-V aus benachbarten Regionen abstammte.
  • Dem Brut-Weibchen fehlt zuweilen, wie zuvor weiter oben erwähnt, im Vergleich zum Brut-Männchen eine konsequente Brutplatztreue. Ein charakteristisches 'breeding dispersal' wird aber auch nur dann ausgelöst, wenn beim Brut-Weibchen folgende Voraussetzungen vorliegen:
    • Das Weibchen findet sich nach der Ankunft im Frühjahr vor dem Revier-Männchen am vertrauten Brutplatz ein, wartet sehr lange auf das Männchen und zudem findet sich in der Zwischenzeit auch kein Ersatz-Männchen für eine Neuverpaarung am Standort ein: 
      • Sie steht im weiteren Verlauf vor der Eiablage, wird dementsprechend unruhig, sucht daraufhin großräumiger die Region ab, verpaart sich spontan und rechtzeitig vor der Eiablage an einem anderen Brutplatz mit dem dort noch wartenden Revier-Männchen neu (Belege liegen vor).
      • Oder sie verpaart sich während ihrer Suche neu und es kommt dabei zu einer Revier-Neugründung mit einem 'Nachrücker-Männchen' (Belege liegt vor).
    • Das Weibchen bleibt plötzlich während des Heimzuges Mitte April an einem fremden Brutplatz hängen, verpaart sich dort mit einem bis dato noch auf sein Revier-Weibchen wartenden Männchen neu und sie schreiten am Ende gemeinsam zur Brut (siehe u.a. "Kati", Abb. 16).
    • Das Weibchen wird am Brutplatz durch anthropogene Einflüsse gezwungen sein, um den bisherigen Standort kurzfristig und noch vor der Eiablage zu verlassen. Es zieht dann, mitunter auch nur vorübergehend für eine Brut-Saison, gemeinsam mit dem Brut-Männchen um. Das vertraute Revier-Paar unternimmt demzufolge gemeinsam ein 'breeding dispersal' (Belege liegen vor).
  • Die aktuellen Untersuchungen legen nahe, dass die Brut-Männchen mithilfe ihrer Ansiedlungsstrategie näher an die ursprüngliche Geburtsstätte zu rücken versuchen. So liegt der Abstand zwischen Geburts- und Brutort im Mittel bei den Brut-Männchen in M-V bei 31 km und bei den Brut-Weibchen währenddessen bei 57 km. Die beiden Brutvögel mit polnischer Herkunft sind hier ausgenommen und wurden in Tab. 1 separat bewertet
  • Ich unterteilte die an den Brutplätzen festgestellten Kennring-LSE in drei Altersklassen (in Klammern die Belege, dabei durchliefen einzelne LSE zuweilen die AKI bis AKIII am jeweiligen Brutplatz):
    • AK I:   K5/6 bis K11 (15 females, 22 males = 59,5 %)
    • AK II:  K12  bis K18 (  8 females,   9 males = 27,5 %)
    • AK III: ≥ K19            (  4 females,   4 males = 13,0 %)
Abb. 28: Dieses Brut-Weibchen wechselte zwischen 2021 und 2022 den Brutplatz zu einem bekannten Nachbarrevier ('breeding dispersal' 4,1 km). 
Regelmäßig melden sich die Weibchen im Juli/ August mit ihren charakteristischen Nestanzeige-Rufen (gedacht für ihre anwesenden Männchen). Hintergrund: die Weibchen bauen um diese Zeit immer noch einmal in Vorbereitung auf die neue Saison am Nest (entweder an den Nestern einer erfolgreichen Brut, so wie für dieses Beispiel, oder sie bauen schlagartig komplett neue Nester - hier oft bei zuvor fehlgeschlagenen Bruten am alten Platz). Zwischen 09:21 und 10:18 Uhr trug das abgebildete Weibchen 'Edit' an einem 03. August sehr eifrig 16 x Nistmaterial ein (10x Lärche trocken, 1x Lärche grün, 1x Erle grün, 1x Birke grün, 1x Buche grün, 2x Fichte trocken bzw. grün). Dabei fixierte 'Edit' ihre "Astopfer" stets vorab vom Nest aus und sammelte sie im Radius von 50 m zum Nest ein. Solche interessanten Abläufe im Bild festzuhalten, so wie hier beim Abreißen des trockenen Fichtenastes, benötigt viel Umsicht, Geduld und natürlich auch etwas Glück.

Tab. 1: Die Zusammenfassung der bis dato ausgewerteten Ringwiederfunde mit fixierten Werten zum Dispersal-Verhalten unserer LSE.

Abb. 29: Die Europäische Lärche zeigt tendenziell in einigen Regionen unseres Bundeslandes sichtbare Präferenzen bei der Wahl des Brutbaumes (Aufnahme: 30.06.2022).  

Abb. 30: Auch die Sitka-Fichte zählt inzwischen wieder zu den ausgewählten Nistbaumarten in M-V. Für die dortige Nachsuche bis zum endgültigen Fund investierte ich über fünf Ansitztage. Die Adler haben mich mal so richtig an der Nase herumgeführt..... (Aufnahme: 02.08.22, Nest ist hier nicht sichtbar links auf Höhe des frisch ausgeflogenen Jungadlers).

Abb. 31: Hier befinde ich mich keine 20 m vom flüggen Jungadler. Zuvor hatte ich ihn sanft angelockt und obwohl er immer wieder ruffreudig reagierte, gelang es mir erst nach über 30 Minuten diese Flitzpiepe im Erlen-Unterholz zu finden. Diese Schokobären können sich einfach perfekt auflösen....  also immer Ruhe und Geduld....(18.08.2022).

Abb. 32: Dieses Brut-Weibchen namens 'Tekla' befindet sich sehr wahrscheinlich erst im K8/ K9. Sie brütet seit nunmehr drei Jahren konstant am Brutplatz und zog 2021 und 2022 erfolgreich einen Jungadler auf. Die Bänderungen auf den Arm- und inneren Handschwingen sind für ein Brut-Weibchen immer noch sehr bemerkenswert (Aufnahme: 13.09.22).

Abb. 33: Immer wieder auch argwöhnische Blicke..., ob man sich wirklich angemessen in den Revieren verhält... (Aufnahme: 17.08.22).

Abb. 34: Fast jedes LSE-Revier beherbergt ferner den für mich so faszinierenden Honey B. Hier sieht man ein aufmerksames Weibchen im Revier-Rundumblick auf einer Borkenkäfer-Fichtenspitze (Aufnahme: 08.08.22).

Abb. 35: Mit etwas Geduld und vor allem Intuition gelingen selbst solche tiefgreifenden Schnappschüsse. Hier sitze ich ohne Tarnung einfach nur still am Boden und schaue den Protagonisten aus 50 m Entfernung zu. Einfach nur wunderschöne Impressionen im Leben eines Waldläufers... (Aufnahme: 02.08.22).

Abb. 36: In dieser Saison sah man junge Maulwürfe regelmäßiger auf dem Speisezettel unserer Tüpfeladler. Da heuer das essentielle Kleinsäuger-Angebot regional noch bis in den Juli hinein eher bescheiden aussah, mussten die Altvögel auf alternative Beutetiere ausweichen. Auch bei der Beringung sah man, wenn überhaupt und bis auf wenige Ausnahmen, sparsam deponierte Maulwürfe in den Nestern (Aufnahme: 09.08.22).

Abb. 37: Ein Bild mit Seltenheitscharakter - Brachen und Ödländereien zählten noch vor 15 Jahren in M-V zum regelmäßigen Inventar. Inzwischen sind es absolute Raritäten, die von unseren Adlern seinerzeit immer wieder gerne nach Beute gemustert wurden. Der abgebildete Maulwurf in Abb. 36 wurde exakt auf dieser Ödland-Sukzessionsfläche erbeutet.... (Aufnahme: 09.08.22).

Abb. 38: Klassische Ansitzwarte eines Männchens im Brutrevier. Immer wieder wechseln die Revier-LSE ihre Jagdstrategien und dennoch besitzen sie seit Jahre ihre bevorzugten Ansitzplätze. Kennt man ihre Standorte, dann findet man in der Regel auch die Adler.... (Aufnahme: 09.08.22).

Abb. 39: Bemerkenswerte Belegaufnahme einer dieser äußerst seltenen K2-LSE im Mai, hier als kurzer Gast an der Peripherie eines besetzten Brutplatzes. Ohne hier auf die Gefieder-Details näher eingehen zu müssen, sticht sofort der für das erste Jugendkleid noch so charakteristisch geschwungene 'trailing edge' der makellosen inneren Hand- und sämtlicher Armschwingen ins Auge. Das Großgefieder gehört demnach unverändert der ersten Generation an. Das Foto deutet auf das Musterbeispiel eines abgelichteten Jungadlers während des ersten Wegzugs im September/ Oktober (Aufnahme: 17.05.22).

Abb. 40: Dieses K9-Brut-Männchen ist identisch von Abb. 19 auf einer seiner Sitzwarten unweit vom Brutplatz (Sitka-Fichte).

Abb. 41: Mit etwas Glück gelingen Aufnahmen mit ganz speziellen Lichteffekten im dunklen Unterholz (Aufnahme: 03.09.22).

Abb. 42: Auch hier verzaubern die ersten morgendlichen Sonnenstrahlen die Stimmung im Revier (Aufnahme: 17.08.22).

Abb. 43: Eine von diesen über 320 ausgewerteten LSE-Flugaufnahmen, wo ich das Alter des LSE u.a. aufgrund dechiffrierter Kennringe vorzeitig vergleichen und ableiten konnte. Ein Fundus von unschätzbarem Wert. Wichtig dabei war immer wieder der Lichteinfall und die Position des LSE, um so möglichst auch die Oberseite des Großgefieders parallel mit mustern zu können.

Abb. 44: Solche Stimmungsbilder sind einfach unbezahlbar. Zur rechten Zeit am rechten Ort....Sie müssen den Betrachter einfach berühren: Ein nach Beute Ausschau haltendes Schreiadler-Männchen verknüpft mit seinem typischen Lebensraum, einer passenden Perspektive und mit dem Licht kurz zuvor sich auflösender Nebelbänke am Morgen. Ich versuche immer wieder den Adler gemeinsam mit seiner Intimzone einzufangen.... (Aufnahme: 06.08.22).

Abb. 45: Stimmen dann auch noch die Nahrungsquellen im Revier, so ist es nur eine Frage der Zeit, wann das Männchen mit einer Wühlmaus vorbeischaut, um seinen in Nestnähe ungeduldig wartenden Nachwuchs kurz darauf zu versorgen. Das Licht ist perfekt... (Männchen von Abb. 44).

Abb. 46: Das Warten hat sich gelohnt... keine 10 Minuten später und das Männchen kommt nach der Fütterung retour, um einen seiner Lieblingsplätze einzunehmen. Schreiadler und Lebensraum....

Abb. 47: Bei diesem K12-Brut-Weibchen muss man schon genauer suchen, um die Bänderungen in den 'remiges' überhaupt noch zu entdecken (vergleiche dazu Abb. 26). Über 75 % meiner ausgewerteten Brut-Weibchen zeigten bislang diese charakteristische 'dark morph'. Die Bänderungen verschwimmen hier rascher. LSE-Männchen gleichen Alters zeigten hingegen in der Regel immer noch einen markanten Bänderungskontrast in den Fahnen. Spezifische Unterschiede, die bislang nur wenig Beachtung fanden .... (Aufnahme: 24.07.2022).

Abb. 48: Besonders die LSE-Männchen sind grazile Waldwesen. Hier Brut-Männchen 'Theo' während der Beutejagd. Einfach nur ein Genuss, wenn man sie so ungestört studieren darf.... (Aufnahme: 20.05.22). 

Abb. 49: 'Theo' ist gleichzeitig der berühmte 'Sitzkrücken-Adler' in M-V. Seit drei Jahren ist er mit Weibchen 'Tekla' verpaart (siehe Abb. 32). Bislang suchte auch nur 'Theo' die sechs im Umfeld des Brutplatzes befindlichen Krücken zur Ansitzjagd auf. 
2022 kam nun aber alles anders... erstmalig sah ich 'Tekla' bereits im Frühjahr auf verschiedenen Sitzkrücken lauern.... Teilweise dann im Spätsommer sogar synchron mit 'Theo'. Die Abb. 49 zeigt beide Elterntiere als Beleg auf den Krücken (vorne 'Tekla'). Für Schreiadler ein absolut surreales Bild! Sie nutzen dermaßen freistehende Ansitzplätze grundsätzlich nicht zur Ansitzjagd im Brutrevier. Beim Mäusebussard oder Turmfalken sieht es da schon ganz anders aus (Aufnahme: 13.09.22).

Abb. 50: 'Tekla' sondiert die Lage in den Staudenfluren.....im Hintergrund in nur 180 m Entfernung zur Krücke eine vielbefahrene Autobahn (Aufnahme: 17.08.22).

Abb. 51: Es war wohl auch nur eine Frage der Zeit, dass der unterdessen gut flugfähige Jungvogel (identisch mit Abb. 42) ebenfalls die Sitzwarten für sich entdeckte.... was Mutti vormachte, dient immer als Vorbild und muss sicher sein.... und man kann zudem sichtbar nerven.... Familie Schreiadler nutzte also im September komplett diese Ansitzkrücken... (Aufnahme: 13.09.22).

Abb. 52: Auf der hinteren Sitzkrücke sieht man den Jungvogel. Kurz zuvor hatte er noch das Männchen runtergepelzt. Vorne 'Tekla'... (Aufnahme: 13.09.22).

Abb. 53: Hier zeigt 'Tekla' noch einmal eindrucksvoll ihre sich immer noch intensiv abzeichnenden Bänderungen auf den 'remiges' (Aufnahme: 17.08.22).

Abb. 54: Na und jedes Jahr habe ich so ein "Águila Imperial" Überraschungsei im Nest liegen... Der Neststandort würde in den Dehesas schon mal perfekt passen.... (Aufnahme: 12.07.22).

Abb. 55: Und mithilfe seiner "Imperial Eagle"-Tarnung löste er sich sechs Wochen später in den Schwarz-Erlen fast vollständig auf.... (Aufnahme: 23.08.22).

Abb. 56: Mauser- und Bänderungszustand eines K10-Brut-Weibchens (Aufnahme: 24.08.21).

Abb. 57: ...Aber nicht nur 'Panni' schrieb Geschichte während der kontinuierlich laufenden Untersuchungen zum Verhalten unserer Tüpfeladler.....
Meine zweite LSE-Hausdame namens 'Peggy', neben einem weiteren Paar brütete sie die letzten Jahre wiederholt nur 3,5 km vom Schreibtisch entfernt, lieferte mir als besonders treues Brut-Weibchen ebenfalls unschätzbare Daten.
Privilegiert durfte ich sie über 16 Jahre nonstop begleiten (2006-2021). Dabei zeigte mir 'Peggy' vor allem eindrucksvoll, dass die Brut-Weibchen genauso als sehr ortstreue Geschöpfe im Brutrevier agieren können. Ihr Sender übertrug bis zum Winter 2021/22 immer noch, wenn auch nur noch sporadisch, entsprechende GIS-Daten. Schließlich liegen Indizien vor, dass sie leider im Überwinterungsgebiet 2021/22 ihre letzte Reise beendete. Es sind einfach berührende Momente, wenn nach über 16 Jahren plötzlich vertraute Abläufe und Begegnungen ausbleiben und der geliebte Adler einfach nicht mehr am Brutplatz erscheint. Sie wurde inzwischen und umgehend von Brut-Weibchen 'Merle' (einem beringten K11-Weibchen mit einem 'natal dispersal' von 75 km) ersetzt. 
Und noch eine Besonderheit: Es existiert in M-V meines Wissens nach nur noch dieses eine bruthabitatspezifische "Erlen-Bruchwald-Vorkommen", wo sich demzufolge Schreiadler seit meinem Revierfund 1989 ununterbrochen in einem 'Schwarz-Erlen-Terrain' von weniger als 40 ha aufhielten und dort auch stets brüteten. Bis auf 1989-90, hier verliefen beide Bruten ausnahmsweise auf einer seinerzeit noch verbliebenen Rand-Fichte im Erlen-Bestand, brüteten die LSE ausnahmslos auf einer Schwarz-Erle. Die absolute Ausnahme für die Brut-LSE in M-V. Es ist aber davon auszugehen, dass die Schreiadler schon lange vor dem Fund 1989 dort brüteten und einfach nur unter dem Radar brüteten!
Dieses LSE-Brutvorkommen beherbergt aufgrund seiner permanent verborgenen Lebensweise die mit Abstand 'unsichtbarsten Revierinhaber' in M-V. 
Dieses Jahr investierte ich über 12 Tage, um letztendlich wieder mit viel Ausdauer den Jungadler zu finden. Unglaublich, aber ich saß hier wiederholt 8-10 Stunden im Revier ohne im Ansatz ein LSE-Zipfelchen überhaupt zu sehen oder zu hören..... 
'Peggy' war also immer ein Teil dieser geheimnisvollen Geschichten im traditionellen Erlen-Bruchwald.....
Leider finden immer weniger LSE-Betreuer die erforderliche Zeit, um tiefer in das faszinierende und so nuancen- und fintenreiche Verhalten eines LSE einzutauchen. Es zu deuten, fordert viel Geduld, Herzblut und vor allem Intuition. 
Sicher fragen sich auch einige Leser, wie es möglich sein kann, dass ich die Adler immer wieder mit dem Vornamen anspreche und somit auseinanderhalte? Es geht... hier sind nicht nur die individuellen Gefiedermerkmale ausschlaggebend, vielmehr ist es genau ihr spezifisches und erlerntes Verhalten am Brutplatz. Beim Schwarzstorch sieht es nicht anders aus. 
Ich könnte für beide Großvogelarten unendliche Beispiele benennen... egal, ob ich sie z.B. im Feld unter Einhaltung einer erlernten Toleranzgrenze studiere, an ihren Lieblingsplätzen ungestört beobachte oder während der Beringung ihr Verhalten erforsche... sie verraten es mir. Viele Fotos können überhaupt erst so entstehen....und sie zeigen dem aufmerksamen Betrachter ferner, dass ich sie in ihren Intimbereichen auch nicht störe! 
Abschließend sei erwähnt, dass die Adler und Störche wiederum mein spezifisches Verhalten im Revier genauso erkennen, da ich es auch nicht verändere.....ein entscheidender Pluspunkt.
Aber zurück zum speziellen Brutrevier von 'Peggy'.....




Abb. 58-61: Im Zeitraum der 16-jährigen Brutplatz-Besetzung von 'Peggy' gab es zwei Brut-Männchen zu bewundern. Der berühmteste darunter ist und bleibt mein legendärer 'Herkules'. Dieser Pfiffikus brütete von 2002 (also noch vier Jahre bevor 'Peggy' den Brutplatz einnahm) bis 2015. Danach tauchte er leider nicht wieder auf und 'Peggy' verpaarte sich anschließend mit 'Herkules II' in 2016 neu. 
Dieses mit 'Peggy' neu verpaarte Brut-Männchen benötigte eine längere Anlauf-/ Einspielzeit bis zum ersten Bruterfolg. Diese Einspielungsphase bei einem Partnerwechsel ist nicht ungewöhnlich und kann zwischen einem und vier Jahre liegen..... Solche Ausfälle weisen nicht selten auf einen Partnerwechsel hin...!
Vor allem wenn die Weibchen am Standort wechseln, kann es plötzlich zu weiträumigen Umzügen im Revier kommen. Es existieren plötzlich neue Anflugrouten, die Gewohnheiten ändern sich und das Paar könnte die ersten Jahre nach dem Wechsel unentdeckt bleiben, da der Betreuer an seinem alten Kontrollmuster festhält (z.B. Checkpoint-Wahl liegt inzwischen falsch).
Mit 'Herkules' pflegte ich in diesen 15 Jahren ein sehr intimes Verhältnis. Es gab unglaubliche Szenen zu bestaunen, wo ich ungestört an seinem Treiben teilhaben durfte. Oft saßen wir stundenlang nur 20 Meter auseinander.... und wieder durfte ich so viel über sein Verhalten lernen.....

Chronologie des Brutplatzes im 'Peggy'-"Erlen-Bruchwald-Revier":
  • Nach dem Partnerwechsel (Weibchen 'Peggy' löste 2006 Weibchen 'Lena' ab und verpaarte sich mit dem Revier-Männchen 'Herkules' neu) vergingen zwei Jahre bis zum ersten Bruterfolg in 2008.
  • 'Peggy' brütete in den 16 Jahren (2006-2021) auf fünf unterschiedlichen Brutbäumen (alles Schwarz-Erlen) und verpaarte sich mit zwei Männchen.
  • Sie brütete insgesamt 9 x erfolgreich (darunter 7 x gemeinsam mit 'Herkules'), 7 x schlug die Brut fehl. 
  • 'Peggy' offenbarte mit 'Herkules' inzwischen die perfekte Harmonie am Brutplatz - beide honorierten es mit einem steten Bruterfolg von 2020 bis 2015. 2016 fehlte dann 'Herkules'....und 'Peggy' zeigte geduldig eine neue "Anlaufphase" mit 'Herkules II'...
  • Insgesamt fanden zwischen 1989-2021 jährlich Bruten statt, davon:
    • 22 erfolgreiche Bruten mit einem ausgeflogen Jungadler (65 %)
    • 12 Bruten verliefen negativ (35 %)
    • als Brutbaumart wurden gewählt:
      • 1 x Fichte
      • 9 x Schwarz-Erle
    • 3 Männchen und 4 Weibchen beteiligten sich in den 34 Jahren am Brutgeschehen 
    • 1990 beteiligte sich wiederholt parallel ein Fremd-Männchen an der Fütterung des Jungadlers (Brut-Männchen 'Hansi' war noch vor Ort)
In den beiden nachfolgenden Tabellen 2 und 3 sind die Ereignisse gelb markiert, wo entsprechende Partnerwechsel im "Erlen-Bruchwald-Revier" in den zurückliegenden Jahren anstanden. Bis auf den jüngsten Wechsel zwischen 'Peggy' und 'Merle' (blaue Markierung 2021/ 2022) folgte in der Regel immer sofort mind. ein Brutausfall. Da sich 'Merle' bei der Neuorientierung nachweislich bereits im reiferen K11 befand, könnte dies einen nicht unwesentlichen Ausschlag für einen prompten Bruterfolg gegeben haben. Regelmäßiger reihen sich beim Partnerwechsel eher noch unerfahrene LSE im K5/ K6 ein (Brutreserve). Eine feste Revierbindung, die Paarung und die Versorgung eines Jungadlers bedeuten dann völliges Neuland.



Tab. 2 und 3: Zusammenfassung der Brutergebnisse, inkl. Partnerwechsel und der Brutbaumwahl je Brutjahr im "Erlen-Bruchwald-Revier" 1989-2022. Vorzeige-Beispiel für eine lückenlose Erfassung seit dem Fund/ der Entdeckung eines LSE-Reviers in M-V.

Abb. 62: Brut-Weibchen 'Peggy' im Brutrevier während der Ansitzjagd, 14. August 2014.

Abb. 63: 'Herkules II' mit einer Schermaus (Körperlänge 14,5 cm) Richtung Nest und Jungadler. Früher gehörte diese Gr. Wühlmaus vor allem in den Flusstalmooren und angrenzenden Niedermoor-Arealen zum regelmäßigen Beute-Inventar. Jetzt findet man solche Beutetransporte nur noch in absoluten Ausnahmefällen..... 30 Minuten nach der Flugaufnahme hing ich bereits im Baum und hielt die noch warme und vermessene Wühlmaus in den Händen....

Abb. 64: Gerne möchte ich dem bis dato spätesten Brutbeginn eines Schreiadlers in M-V noch einmal die nötige Aufmerksamkeit schenken. Die Brut verlief 2019 erfolgreich. Besonders bemerkenswert war in diesem Zusammenhang, dass sich der Jugendeinfluss des Kleingefieders vom Brut-Weibchen 'Polline' durch unzählige weiß gesetzte Spots immer noch allgegenwärtig präsentierte (sie war mit Sicherheit als Jungadler das Abbild eines dieser verkappt gezeichneten "Imperial Eagles", siehe Abb. 54 und 55). 
Nach Prüfung der wesentlichen Gefiedermerkmale befand sich 'Polline' bei ihrer Brut in 2019 sicher erst im K5/6. Die uns bekannte LSE-Brut-Phänologie wurde fast vollständig ausgehebelt und wich am Ende einen kompletten Monat von der Norm ab. Dass der Nachwuchs von 'Polline' dann noch wie ein "Imperial" gezeichnet war, verwunderte mich absolut nicht mehr.....

Abb. 65: Die immer noch sehr jugendliche 'Polline' am 16. September 2019. Zu beachten ist ferner die ausgeprägte Bänderung der Arm- und inneren Handschwingen, typisch für ein noch jüngeres LSE-Weibchen im K5/6.
Wenn so ein Jungspund im Brutrevier auftaucht, wird wohl kein großer Gedanke über die Existenz eines erfolgreichen Brut-Weibchens vor Ort verschwendet....




Abb. 66-69: Die junge Dame 'Polline' am 09. Mai (beim Sonnenbad am Waldrand...) und später am 16. September 2019 in unterschiedlichen Luftraum-Perspektiven/ -Situationen....


Abb. 70-71: 'Polly' - der besonders hübsch gezeichnete weibliche Nachwuchs von 'Polline' - ein typischer Doppelgänger unserer "Imperial Eagles" in den Wäldern M-V 😉.....18. September 2019.