Featured post

Zur aktuellen Situation des Schwarzstorchs im Fichtelgebirge (Oberfranken)

Brutmännchen "Torres" bewacht seinen Nachwuchs an einem traditionellen Brutplatz im Zentrum des Fichtelgebirges. Der Bursche wurde...

Friday, December 02, 2022

Ernüchternder Kurs für die 'Black Ladies' im Nordosten Deutschlands.....


Abb. 1: "Moos-Transporter"... Schwarzstörche suchen und sammeln ihr Nistmaterial mit Schwerpunkt vormittags im direkten Nestumfeld (30-80 m). Sie nutzen aber auch zuweilen ihre Aufenthalte während der Nahrungssuche abseits der Brutplätze, um dann mit Vorliebe Moos für ihre Rückflüge zum Nest vorher noch als "Beifang" aufzunehmen. Dabei ließen sich während parallellaufender Verhaltensstudien teils beachtliche Distanzen von mehr als 2,5 km zwischen Nest und Nistmaterial-Aufnahmestelle ermitteln.


Abb. 2: Moos-Storch in der Thermik Richtung Brutplatz (hier noch 2 km vom Nest), Oberpfalz - June 2022.

Abb. 3: Einer von nur noch neun besetzten Brutrevieren in M-V im Jahr 2022. Am abgebildeten Brutplatz fand leider noch nach der Eiablage ein vorsätzlicher Verstoß im Zusammenhang mit der gesetzlichen Nestschutz-Regelungen für M-V in nur 30 m Entfernung zum Nest durch Selbstwerber statt. 



Abb. 4 und 5: Nach diesem gänzlich unnötigen Brutverlust errichtete das Paar aus dieser Notsituation heraus ein neues Ausweich-Nest. In 800 m Entfernung zum bisherigen Brutplatz (Abb. 3) zog das Paar am Ende der Brutsaison jedoch auch nur noch einen Jungstorch erfolgreich auf. 


Die gegenwärtige Entwicklung der Schwarzstorchpopulation nimmt im nordöstlichsten Bundesland sehr bedenkliche Konturen an. Nach einer zwischenzeitlich kurzen 'Erholungsphase' des Brutbestandes, hier für den Zeitraum von 2002 bis 2009 mit 13-15 BP belegt, sanken seit 2010 die Zahlen für die Brutvorkommen und die Reproduktionserfolge wieder signifikant (siehe Abb. 6). Fortan stagniert dieser als besonders kritisch einzustufende Zustand. Seit 2013 wurde die 10 BP-Marke für M-V bislang auch nicht mehr erreicht. Sie schwankt gegenwärtig zwischen fünf bis neun BP (Paare mit Nest und einer Brut)! 
Die vorliegenden Ergebnisse ergeben ein völlig differenziertes Bild im Vergleich zum Brutbestand und den vermeintlichen Trends benachbarter Bundesländer, hier insbesondere in Mittel- und Süddeutschland.


Abb. 6: Brutstatistik des Schwarzstorchs für M-V (2000-2022).

Die Ursachen für diesen empfindlichen Rückgang liegen sehr komplex. Einer der Hauptgründe für diese folgenschwere Entwicklung, insbesondere hinsichtlich Brutgröße und Reproduktionsrate (Gradmesser für den Zustand der hiesigen Population, siehe Abb. 7), findet sich bewiesenermaßen bei den anhaltenden Qualitätsverlusten innerhalb des verbliebenen Fließgewässernetzes in M-V. Intakte Fließgewässer-Ökosysteme - stets verknüpft mit der Verfügbarkeit struktur- und nahrungsreicher Kleingewässer - geben den essentiellen Ausschlag für einen erfolgreichen Brutverlauf. Derart geschichtete Qualitätsrückschläge korrelieren unausweichlich mit den hochintensiven Bewirtschaftungsmaßnahmen unserer konventionellen Landwirtschaft und einer unverkennbar gesteigerten Gewässerunterhaltung in M-V (selbst in NATURA 2000 - Schutzgebieten!). Zunehmende Trockenperioden im Frühjahr und Sommer verschärfen zusätzlich die Situation in den Brutrevieren. 


Abb. 7: Brutgröße und Fortpflanzungsziffer für M-V (2000-2002). Die dokumentierten Angaben liegen teils deutlich unterhalb der Schwellenwerte - die für eine Zukunftssicherung dieser lokalen Schwarzstorch-Population erforderlich sind. Mittelwerte 2000-2022 für BG: 1,82 und FZ: 1,40.

Zogen die Altstörche noch vor 15 Jahren regelmäßig drei bis vier Junge groß – beiläufig liegen die letzten erfolgreichen 5er-Bruten in M-V bereits 14 Jahre zurück – so wurden in den letzten sechs Jahren in der Regel nur noch ein bis zwei Junge je erfolgreiche Brut flügge. Der Mittelwert für flügge juv. in den letzten 23 Jahren (2000-2022) liegt exakt bei 20 Jungen/ Jahr.

Aufgrund deutlich eingeschränkt zur Verfügung stehender Nahrungsquellen sind die Altstörche in den letzten Jahren zunehmend gezwungen ihre Reviere noch weiträumiger zu erschließen. Nahrungsflüge ≥ 12 km stehen folglich zunehmend an der Tagesordnung und die Areale im Brutwald-Umfeld werden noch großräumiger und gestreuter erschlossen. Ein wichtiger Hinweis für die unverzichtbare Einhaltung eines Mindestabstandes von 3 km von geplanten WEA-Standorten um die ausgewiesenen Brutwälder in M-V.


Abb. 8: Auch im benachbarten Brandenburg gehen die Zahlen flügger Jungstörche in weiten Landesteilen ebenfalls zurück. Nicht selten stehen, so wie hier auf dieser urigen Stiel-Eiche in der Ostprignitz, nur noch zwei flügge Jungstörche im Nest. Der im Bild beringte linke Jungstorch wurde am 14.09.22 am Südwestzipfel von Portugal per Fotobeleg auf dem Wegzug als Westzieher dokumentiert.


Abb. 9 und Abb. 10: Hingegen reproduzierten die Schwarzstörche in den näher kontrollierten Revieren lokaler Populationen Oberfrankens und der Oberpfalz (nördliches Bayern) bislang noch regelmäßiger drei bis vier Junge. Das in den dortigen Mittelgebirgslagen entspringende und teils noch kleinfischreiche Fließgewässernetz, hier nicht selten in Kombination mit den in tieferen Lagen existierenden Forellen-Teichanlagen, gaben für die höheren Ziffern der dortigen Brutgrößen bislang den entscheidenden Ausschlag. Dennoch zeichnen sich auch hier erste sichtbare Einschränkungen bei der Nahrungsverfügbarkeit im Fließgewässernetz ab, welche zwingend näher zu analysieren sind. Des Weiteren greifen in der Region dokumentierte und nicht zu vernachlässigende Störungen im Nest- und Brutwaldbereich durch Freizeit-Tourismus und Forst (primär Privatwald-Standorte).